Aus: "Der grüne Hammer" (Neue Folge, Hg. GAL Uentrop), Nr. 1, 1984

Kommunalpolitik: Bezirksvertretung? Schon mal gehört ...

Wer sich nicht in besonderer Weise bemüht, der wird von der Arbeit der Bezirksvertretung nicht allzuviel mitbekommen. Ein paar kürzere Meldungen auf den hinteren Tageszeitungsseiten über die regelmäßigen monatlichen Sitzungen lassen kurz aufhorchen. Nur zu Kommunalwahlzeiten wird die Szenerie etwas lebendiger.

Der grüne Hammer, Nr. 1, 1984Die Zuständigkeit der Bezirksvertretung ist begrenzt und in vielfacher Weise dem Rat der Stadt Hamm untergeordnet. Entscheiden darf die Bezirksvertretung über Ausstattung und Unterhaltung von bestimmten öffentlichen Gebäuden (z. B. Kindergärten, Sportanlagen, Jugend- und Freizeitheime, Kinderspielplätze, Grund- und Hauptschulen). Wenn - wie in Hamm in letzter Zeit oft zu beobachten ist - Straßenbäume gefällt werden, so trägt auch hier letztendlich die Bezirksvertretung die Verantwortung für diese Maßnahme: Das Pflanzen und Fällen von Straßenbäumen, sowie der Um- und Ausbau der Ortsstraßen liegen in dem Aufgabenbereich der Bezirksvertretung. Lediglich angehört werden darf sie bei der Aufstellung und Änderung von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen, obwohl diese Pläne am grundlegendsten die Lebensqualität eines Bezirks beeinflussen.

Eine stärkere Gewichtung der Befugnisse der Bezirksvertretung als die gegenwärtig angewandte ist unserer Meinung unbedingt erforderlich, wenn den Interessen der Bürger ein wirklicher und nicht nur ein scheinbarer Einfluss eingeräumt werden soll.

Wer die öffentliche Sitzung der Bezirksvertretung Uentrop besucht, wird erst einmal erstaunt sein, wie sehr selbst einfache Sachverhalte in einem nahezu unverständlichen Bürokratenkauderwelsch abgehandelt werden. SPD und CDU halten sich hier mit je 9 Sitzen die Waage. Beide Parteien haben ihre ein oder zwei Wortführer, die viel reden. Der Rest und der FDP-Vertreter machen die meiste Zeit einen verschlafenen bis gelangweilten Eindruck, als würden sie nur einer lästigen Pflicht nachkommen. – Verwaltungsvorlage Nr. 6359 steht zur Abstimmung! Hier hat niemand etwas zu sagen, also wird abgestimmt: Hände hoch, Hände runter ... angenommen! Der Bürger, der jetzt noch schnell wissen will, worum es bei dem Beschluss ging, muss sich mit den restlichen zehn oder zwölf Zuschauern das einzige Leseexemplar der Tagesordnung und der Anträge teilen. – Das ist wahre Bürgerbeteiligung!

Aus: Der grüne Hammer, Nr. 1, 1984Damit die Bürger bloß nicht auf den Gedanken kommen, sie hätten das Recht, bei jedem einzelnen Tagesordnungspunkt Kritik und Anregungen einzubringen, wird vor der eigentlichen Tagesordnung eine Bürgerfragestunde eingerichtet. Wenn sie sich ausgefragt haben, kann die Bezirksvertretung danach um so ungestörter im alten Trott weitermachen. Deswegen ist eine grundsätzliche Forderung der Grün-Alternativen Liste, dass zu jedem Tagesordnungspunkt die Bürger die Möglichkeit haben sollten, sich mit Kritik und Anregungen zu Wort zu melden. Bei den Ratssitzungen der Stadt Hamm ist noch nicht einmal eine Bürgerfragestunde vorgesehen. Höchste Zeit, dass auch hier die Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger erweitert werden!

Bei jeder Sitzung der Bezirksvertretung sind Vertreter der Verwaltung anwesend, die mit der Ausführung der von der Bezirksvertretung oder dem Rat beschlossenen Anträge beauftragt sind. Sehr oft handelt jedoch die Verwaltung eigenmächtig, weil sie von Berufs wegen einen großen Informationsvorsprung hat und deshalb von Amateurpolitikern und Bürgern nur schlecht kontrolliert werden kann. Werden die Verwaltungsangestellten kritisch nach ihrem Verhalten befragt, reagieren sie meist gereizt.

Unserer Meinung nach sollte bei Entscheidungen im Bezirk so oft wie nur irgend möglich in Bürgerversammlungen die Meinung der Betroffenen gefragt und stärkeres Gewicht erhalten, bevor „Sachzwänge" von Seiten der Verwaltung geschaffen worden sind. Wenn Verwaltungsmitglieder ihre eigene Politik machen und wiederholt entgegen den Beschlüssen der Bezirksvertretung oder des Rates handeln, sollte von jeder Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, ihnen dieses Verhalten wirkungsvoll zu unterbinden.

Die nächsten Sitzungen der Bezirksvertretung Uentrop finden am 29. März, 15. Mai und 7. Juni jeweils um 17 Uhr statt. Lassen wir die etablierten Politiker nicht so weiterwurschteln. Zeigen wir ihnen, dass wir mit ihrer Art und Weise Politik zu machen, nicht einverstanden sind.

Anmerkung

Bevor ich 1984 für die kommunale Wählerinitiative Grün-Alternative Liste (GAL) Hamm kandidierte und in die Bezirksvertretung Uentrop gewählt wurde, war ich ein Jahr lang als Zuschauer auf jeder Sitzung der Bezirksvertretung anwesend und habe mir ein Bild von der Situation gemacht. Dieser Artikel ist ein Resultat meiner Beobachtungen.

Jahre später habe ich meine Erfahrungen in den kommunalen Gremien in dem Artikel "Von Unten auf! Warum Aktivismus in Bürgerinitiativen sinnvoller ist als die Mitarbeit in Parteien und Parlamenten. Ein vergleichender Erfahrungsbericht" verarbeitet:

https://www.machtvonunten.de/parteien-und-parlament/228-von-unten-auf.html

 

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