Parteien- und Parlamentskritik

"Schwarzer Faden", Nr. 20, 1/1986

Den radikalen Bruch mit den Grünen organisieren!

Dieser Text richtet sich an diejenigen Bürgerinitiativmitglieder und Libertäre, die sich ein Stück weit und oft mit Bedenken auf eine Arbeit mit oder in den GRÜNEN eingelassen haben. Er will nicht den hunderten Überlegungen zur Strategie der Linken in den GRÜNEN eine neue Variante hinzufügen. Er soll vielmehr eine Bewertung der neueren sich abzeichnenden Entwicklungen bei den GRÜNEN aus der Sicht eines libertären Teils der Bürgerinitiativbewegung vornehmen und vor allem daraus Konsequenzen aufzeigen, vor denen sich bisher auch Libertäre herumgedrückt haben.

Schwarzer Faden, SonderdruckSo sehr sich die verschiedenen Flügel und Tendenzen bei den GRÜNEN auch unter scheiden mögen, sie haben eines gemeinsam. Sie sehen den gegenwärtigen Zustand der Partei lediglich noch unter dem Blickwinkel »zwischen zwei schlimmen Niederlagen und der bedeutungsvollen Bundestagswahl '87; dazwischen liegen dann noch die zu bestehenden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein, die Landtags-und Kommunalwahlen in Niedersachsen, die Landtagswahlen in Bayern und die Bürgerschaftswahlen in Hamburg«.

Diese einseitig verengende Sichtweise reduziert den Spielraum für die Weiterentwicklung freiheitlich-sozialistischer Positionen innerhalb der GRÜNEN schon heute und wird unter dem Druck der Verhältnisse bestimmenden Einfluß auf die Aktivitäten dieser Partei ausüben. Es wird Folgen haben, wenn eine solche Partei auch in Zukunft Dreh- und Angelpunkt für Initiativen und soziale Bewegungen bleibt.

Mit Dutzenden von speziellen Kongressen, Hearings und Konferenzen haben sich die GRÜNEN mit Staatsgeldern in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gestellt und den Basisinitiativen zunehmend die Möglichkeit genommen, ihr Anliegen auf ihre Weise nach außen zu transportieren. Die eigenständige Durchführung von größeren Kampagnen, Aktionen und Kongressen, auf denen sich Basisinitiativen authentisch darstellen und selbstbestimmt organisieren können, ist sehr schwierig geworden, weil die Beziehungen und das Geld zur Durchführung die GRÜNEN haben. Initiativen, die nicht in den Genuß eines von den GRÜNEN bezahlten Kongresses kommen, werden dafür zum Pressetermin nach Bonn/Tulpenfeld geladen, um dann unter der Obhut eines grünen Öffentlichkeitsreferenten die Staffage zur Selbstdarstellung der GRÜNEN vor der Presse abzugeben. Und sie dürfen auch noch froh sein, daß ihnen eine solche Gnade bei den vielbeschäftigten Parlamentsgrünen zuteil wird. Andere, die nicht so gute Beziehungen zum grünen Apparat haben, gehen leider leer aus.

Nicht ganz. Als Kontaktadresse einer Initiative hat man das zweifelhafte Vergnügen, mit Bullettins, Basis-und Informationsdiensten sowie Presseerklärungen der GRÜNEN nur so übeischwemmt zu werden. Denn die GRUNEN in den Räten, Landschaftsversammlungen, Landtagen, Bundestag und Europaparlament müssen ihre Existenzberechtigung beweisen und zeigen, wie gut und effektiv sie für uns arbeiten. Wenn es schon immer weniger Bewegung gibt, so muß zumindest Papier bewegt werden. Da wundere sich noch jemand über den Niedergang von autonomen Zeitungen!

Die dicht geknüpften Netze aus finanziellen Unterstützungen für bestimmte Alternativprojekte, in Auftrag gegebene Forschungsarbeiten für arbeitslose Wissenschaftler und ehemalige Aktivisten und Pöstchen für Bürger- und Basisbüros, Geschäftsführer und Pressesprecher (mit sehr unterschiedlichen Gehaltsabstufungen!) der GRÜNEN sind längst zu Fallstricken für die Entwicklung autonomer Strukturen geworden. Diese Beziehungen als "Basisanbindung" zu bezeichnen, trifft den Kern: Sie wird tatsachlich angebunden.

Originalseite aus "Schwarzer Faden"Ehemalige Basisaktivisten werden in ein grünes Büro verfrachtet und dürfen letztendlich Zuarbeit für Bonn oder die nächstgelegene Landesgeschäftsstelle leisten, als belehrender Profi gelegentlich mal vorbeizuschauen. Hierdurch fehlen immer mehr Menschen, die sowohl durch ihre fachliche Kompetenz als auch aufgrund ihrer radikalen Intentionen in der Lage wären, vorwärtstreibende Elemente der Politik, wie z. B. direkte Aktionen, zu entwickeln. Im Moment herrscht keine partnerschaftliche Gleichheit zwischen dem sogenannten Standbein und dem sogenannten Spielbeín.

Sollten die GRÜNEN 1987 nicht mehr in den Bundestag kommen, so wird das staatlich subventionierte Gebilde aus Parteiorganisation und verwandten anderen Bürogemeinschaften sehr schnell wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Und davor haben einige Leute aus ganz eigennützigen Motiven heraus Angst.

So war es diese Angst und nicht etwa eine Neubesinnung auf ehemalige radikale Zielsetzungen, die in Offenburg die Tolerierung des eher fundamentalistischen Vorstands und die vorgezogene Wahlkampftour ins bayrische  Wackersdorf möglich machten. Zwei Fliegen wurden mit einer Klappe geschlagen:

1. Die Partei stellt sich als aktive, dynamische Kraft dar. die armen, bedrängten Bürgerinitiativen selbstlos zur Hilfe eilt.
2. Es wird die Illusion verbreitet, daß der Kampf zwischen Systemintegration und - Opposition bei den GRÜNEN noch offen sei, damit noch genug Gutgläubige die Drecksarbeit für den kommenden Bundestagswahlkampf machen.

Dieser hat auf den zentral ausgegebenen Flugblättern schon begonnen, wird doch neuerdings die "beeindruckende" Liste von Aktenzeichen grüner Gesetzesinitiativen gleich mitgeliefert. Nicht mehr so sehr durch selbständige Aktivitäten, die diesen Namen auch verdienen, machen die GRÜNEN auf sich auferksam, sondern durch das Einbringen von Gesetzesinitaitiven und Anfragen im Bundestag! Die substanziell wichtige Einheit von Inhalt und Form der politischen Auseinandersetzung ist von den GRÜNEN aufgegeben worden.

Während Tausende von Bürgerinitiativen mittlerweile erfahren haben, daß in den parlamentarischen Entscheidungs- und Vertretungsformen ein wichtiger Grund für die Mißachtung ihrer Interessen liegt, arbeiten die GRÜNEN fleißig daran, dem angekratzten Image der tragenden Säulen des Staates neuen Glanz und Legitimation zu verleihen. Sie widmen sich genau der Aufgabe, die ihnen der Staatzugedacht hat, die sein Fundament ausmachen: Gesetzestexte ausarbeiten, beraten und - wenn die Anpassung weit genug fortgeschritten ist - mitentscheiden.

Das Bundesabstimmungsgesetz (Volksentscheid) der GRÜNEN stellt diese Logik keineswegs in Frage, weil die GRÜNEN den hierzu notwendigen offensiven Gebrauch der Mittel, die dies könnten, längst verlernt haben. Zum einen denken einige Schlauköpfe an die Zeit nach der Bundestagswahl, wenn die GRÜNEN vielleicht nicht mehr im Bundestag sitzen werden, aber über das Instrument Volksentscheid sich noch einen gewissen Einfluß sichern wollen. Zum anderen wird es bei immer näherrückendem Wahltermin für die GRÜNEN immer wichtiger, die Unterschiede zwischen der kleinen und der großen SPD herauszustreichen, damit der unentschlossene Wähler das Kreuz an der richtigen Stelle macht. Ganz offen und ungeniert wird dies im GRÜNEN BASIS-DIENST ausgesprochen: »Ohne diese qualitative Unterscheidung wird es für immer weniger Menschen überzeugende Gründe geben, die GRÜNEN zu wählen« (GBD 9/85, S. 44)

Die innerparteiliche Diskussion konzentriert sich in der Hauptsache um die Frage der Koalition oder Duldung einer SPD-Regierung unter bestimmten Bedingungen. Die Befürworter einer radikalen Systemoppositon sind hoffnungslos in der Defensive und werden immer mehr als bornierte Sektierer in die Ecke gestellt. Dabei sprechen alle Erfahrungen dafür, daß die SPD nur durch radikale Bewegungen und nicht durch Koalitionen zur Korrektur ihrer Politik gebracht wird. 1969 wurde die CDU ja nicht deswegen von der SPD abgelöst, weil die FDP koalierte, sondern weil vorher die 68er Bewegung den Boden für eine reformistische Wende bereitet hatte. Alles was heute in den Augen grüner Reformisten mit der SPD für durchsetzungsfähig gehalten wird, geht auch ohne grüne Koalitionspartner. Die engen Systemgrenzen für antikapitalistische Politik werden nicht einfach durch das Hinzunehmen der GRÜNEN in eine Koalition weiter gesteckt. Systemgrenzen werden vielmehr durch ganz und gar unkoalitionsmäßige Initiativen gesprengt!

Von den tausenden nach der Bundestagswahl 1983 neu aufgenommenen Parteimitgliedern, die in der Regel nicht in den sozialen Bewegungen mitgemacht haben, kann man alles mögliche erwarten, leider aber nicht, daß sie diese historischen Erfahrungen aufarbeiten und kritisch auf die heutige Situation anwenden.

Es stellt sich nun die Frage, welche Gruppierungen den Anpassungsprozeß der GRÜNEN aufhalten und rückgängig machen könnten, um sie eventuell wieder zu einem akzeptablen Betätigungsfeld werden zu lassen.

Die Ökosozialisten - die Jusos der GRÜNEN

Die Ökosozialisten, in die ja nicht unbeträchtliche Hoffnungen gesetzt worden sind, erwiesen sich als unfähig, eine energische innerparteiliche Sammlungsbewegung gegen den Ausverkauf radikal-grüner Inhalte in Gang zu bringen. Sie haben die Integration von Bunten und Alternativen Listen in die GRÜNEN maßgeblich mitbetrieben und damit mitgeholfen, regionale radikale Gruppierungen zu demontieren. Mit dem zweifelhaften Erfolg, daß sie auf allen möglichen Ebenen bei den GRÜNEN Positionen ergattert haben, sich aber im innerparteilichen Meinungskampf sehr bald zerstritten und verschlissen haben. Seitdem ihre Zeitung "MODERNE ZEITEN" sanft entschlafen ist, sehen sie alt aus und haben noch nicht einmal mehr ein eigenes Sprachrohr. Inzwischen sind diese Sozialisten so betriebsblind und unbeweglich geworden, daß sie sich eine politische Perspektive außerhalb der GRÜNEN nicht mehr vorstellen können.

Ihre Tätigkeit beschränkt sich zur Zeit darauf, auf Landes-und Bundesparteitagen das Votum für Koalition und Anpassung genau um soviel abzuschwächen, wie nötig ist, Unzufriedene gerade noch in der Partei zu halten. Ein wahrlich revolutionäres Aulgabenfeld wird sich für die Ökosozialisten in Zukunft auftun! Natürlich dürfen sie - insbesondere vor Wahlzeiten - massenweise "Kampagnen" gegen Atomkraftwerke und für grüne Gesetzesentwürfe durchführen. Diese dienen aber in der jetzigen Situation dazu, Wahlen zu gewinnen und nicht dazu, Entfaltungsmöglichkeiten für emanzipatorische Prozesse zu schaffen.

Sozialisten aus anderen ehemalig funktionierenden Zusammenhängen stehen den GRÜNEN immer moderater gegenüber, denn sie sehen in rot/grünen Koalitionen alte Träume wahr werden. Noch im März 1985 schrieb die Zeitung "LINKS" vom »Sozialistischen Büro«, man sollte sich vor allem außerhalb dieser uns allen so lieben Partei engagieren ... und, so notwendig, auch mal die Stimme entziehen." Aber schon im November 1985 dürfen zwei führende Jusos in der "LINKS" ihre Spekulationen zum besten geben, um dann im Dezember nachdenklich klingendes aus der Regierungserklärung Holger Börners zu "dokumentieren" (als ob dies nicht andere Zeitungen zur Genüge tun ...). Das SB agiert immer weniger selbständig und lebt immer mehr von der Publizität ihrer bei den GRÜNEN in Führungspositionen aufgerückten Mitglieder. Für die Organisation selbst fallen dann noch so bedeutende Tätigkeiten wie das Abhalten von Bloch-Seminaren und Kongressen ab.

Bei der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM, Trotzkisten) gibt es neuerdings eine Mindlerheitsfraktion, [die andere Fraktion liebäugelt mit der "Volksfront", u. a. mit der exstalinistischen KPD/ML] die gerne als Trittbrettfahrer auf den bereits entgleisten Zug der GRÜNEN aufspringen will. Hiermit dokumentieren sie einmal mehr ihre Rückständigkeit und vor allem ihre Staatsfixiertheit. Erst wenn bei den GRÜNEN Ministerposten aktuell werden, werden sie hellhörig und wollen rot/grüne Koalitionen mit einem trotzkistischen "Übergangsprogramm" beglücken.

Da agiert der Kommunistische Bund (KB) mit seiner Zeitung ARBEITERKAMPF (AK) schon bedeutend geschickter und glaubwürdiger. Einerseits findet man in den Spalten des AK eine regelmäßige Berichterstattung über die GRÜNEN in Bonn, andererseits aber auch eine fundierte Kritik an ihnen. Oppositionelle Stimmen von in- und außerparlamentarischen Gruppen werden hier ausführlich dokumentiert. Dabei ist klar, daß der KB von einem Abbröckeln bei den GRÜNEN profitieren will und deswegen der virulenten Empörung über die Anpassungstendenzen der GRÜNEN Ausdruck verleiht, wo immer er kann. Einer linksradikalen Organisation, der jahrelang die Mitglieder nach den GRÜNEN weggelaufen sind, ist es nicht zu Verdenken, wenn sie alles unternimmt, damit dies sich in einer anderen Situation wieder umgekehrt entwickelt.

Der Versuch der Einflußnahme seitens der FÖGA/Graswurzelrevolution

Gut gemeint war der "Offene Brief" an die GRÜNEN von einer Arbeitsgruppe der Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FögA), der viel Richtiges über die Preisgabe von inhaltlichen Positionen aussagt und auf ein Festhalten an "urgrünen" Prinzipien drängt. Dennoch kann ich mich nur wundern, wie Organisationen, die durch ihre jahrelange Arbeit an dem Aufstieg der grünen Partei in irgendeiner Form mitgewirkt haben und von ihr jetzt so unverschämt im Stich gelassen werden, demutsvoll schreiben: "Wir sind in Sorge um die Entwicklung der GRÜNEN ..." oder "Wir wollen Euch Mut machen, an dieser demokratischen, oppositionellen Rolle festzuhalten.".

Da bringt es eine Partei fertig, im Eiltempo von zwei Jahren alle nur möglichen Anpassungsentwicklungen durchzumachen, wozu selbst die SPD immer länger gebraucht hat und dann so ein Brief! Wieviel gewaltfreie Trainingsstunden hat es gekostet, bis diese zahme Bittschrift zu Papier gebracht wurde?! Der "Offene Brief" suggeriert, daß bei den GRÜNEN noch etwas zu retten ist, wenn man nur stichhaltige Argumente den Realos ein- dringlich genug vor Augen führt. Dabei sind es nicht mehr einzelne grüne Karrieristen, die als »Verräter« eine noch in breiten grünen Kreisen vorhandene systemoppositionelle Grundhaltung verlassen haben, sondern die Partei hat sich als Ganzes gewandelt. Vor allem die Kommunalwahlen sorgten bei einem Großteil der ideologisch ungeschulten und in sozialrevolutionärer Praxis größtenteils ungeübten Mitgliedschaft dafür, daß jeder mit der Ausübung von ein bis zwei Ämtern beschäftigt ist und dadurch in traditionelle Verhaltens- und Vertretungsformen eingebunden wurde.

Natürlich gibt es auch einige wenige libertäre kommunalistische Ansatze. Sie treten aber gegenüber den formaldemokratisch geprägten grünen Ratsfraktionen in den Hintergrund.

Genausowenig wie ein linkssozialdemokratisches prominentes Aufruf-Kartell die CDU-Regierung zu bedrängen vermag, genauso wirkungslos werden Appelle von Basisgruppen gegenüber den GRÜNEN sein, weil es keine Strukturen mehr gibt, innerhalb denen sie als Gleichberechtigte in Beziehung zu den GRÜNEN treten können. Dokumentiert wird vor allem die Machtlosigkeit von an den Rand gedrängten Gruppierungen, die sich mit letzter Kraft noch einmal Gehör verschaffen wollen. Die bisherige Entwicklung werden sie nicht mehr rückgängig machen können, denn Wirkungen werden nur bei einer entsprechend gut funktionierenden organisatorischen Gegenmacht erzielt. Eine alte Wahrheit, die in Bezug auf die SPD noch Allgemeingut zahlreicher Basisgruppen war und nun auch gegenüber den GRÜNEN aktuell geworden ist.

Was tun?

Kaum jemand aus den Basisinitiativen wird angesichts drohender Tolerierung von Atomkraftwerken und NATO durch die GRÜNEN noch auf die ldee kommen, Bundestagswahlkampf für diese Partei zu organisieren. Damit diese richtige Reaktion nicht in Orientierungslosigkeit und Frust abgleitet, ist es notwendig, das Heft endlich wieder in die Hand zu bekommen. Die sozialen Bewegungen müssen wieder in einen intensiven Dialog untereinander eintreten um zu klären, welche strategischen Schritte als nächstes wichtig sind, um ihre Inhalte und ihr Politikverständnis praktisch werden zu lassen. Vor allem sollte eine Klarheit schaffende Debatte organisiert werden, wie gegenüber den GRÜNEN eine Stärkung autonomer Strukturen zustande gebracht werden kann und wie weit der Ablösungsprozeß von den GRÜNEN der Situation angemessen vonstatten gehen soll.

Denn es muß vermieden werden, daß wir bei Aufgabe von Zusammenhängen bei den GRÜNEN in ein Nichts fallen. Die Anti-AKW-Initiativen und die Graswurzler sind jedoch erst dabei, sich wieder zu stabilisieren und das Forum für libertäre Information (FLI) ist z.B. erst im Aufbau begriffen. Deswegen plädiere ich für einen schrittweisen und planmäßigen Rückzug aus den GRÜNEN, um bei jedem aufgegebenen Zusammenhang bei den GRÜNEN etwas Neues an seine Stelle zu setzen. Nur wenn wir den ausgefuchsten grünen Strategen, die die Basisbewegung geschickt auszunutzen wissen, ebenfalls taktisch kluge Konzeptionen zur Abwehr von Vereinnahmungen entgegensetzen, haben wir eine Chance. Vielfach ist dazu auch ein Wandel anarchistischer Politikformen nötig. Wir dürfen uns nicht nur verbalradikal als Sachwalter von Basisinitiativen aufspielen, sondern müssen durch die Aneignung praktischer Kompetenz in allen Einzelheiten wirkliche Unterstützungarbeit leisten, damit sich über dieses unbearbeitete Feld nicht wieder grüne Bürokraten und Machtpolitiker hermachen.

Nur eine breit angelegte Absetzbewegung von den GRÜNEN hat eine Chance, diese Aufgaben zu erfüllen. Deswegen wird es notwendig sein, einerseits gezielt die nächste Zeit in die GRÜNEN hineinzuwirken, um die radikalen Kräfte von der Notwendigkeit einer Trennung von den GRÜNEN zu überzeugen. Andererseits muß eine lagerübergreifende Vernetzung der verschiedenen sozialen Bewegungen erfolgen. Wir werden dabei nicht umhinkommen, unsere Aktivitäten immer mehr in Konkurrenz zu den GRÜNEN zu setzen. Die Wiederbelebung eigener Informationsdienste, Strategiedebatten und Organisationsansätze gehören genauso dazu, wie direkte Aktionen oder unter bestimmten Umständen die Beteiligung an AL's oder Bunten Listen, die auf kommunaler Ebene ein Gegengewicht zu den GRÜNEN schaffen können.

Eine solche schrittweise Neuformierung einer antiautoritären Basisbewegung wäre für mich der wirklich radikale Bruch mit den GRÜNEN. Diese Bestrebungen hätten bis zu den Bundestagswahlen ein Jahr Zeit, Konturen zu entwickeln, an gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit libertären Perspektiven teilzunehmen, um dann nach dem sich abzeichnenden endgültigen Zerfall der GRÜNEN in der Lage zu sein, die von ihnen vernachlässigten Auseinandersetzungen auf breiter Ebene wieder aufzunehmen. Entweder die Basisbewegung orientiert sich in Abgrenzung zu den GRÜNEN wieder mehr an ihren eigenen Zielen und ihrer Selbsterhaltung oder sie geht noch mehr den Bach runter, als es bisher schon der Fall ist. Sie wird sehr bald eigene lagerübergreifende Organisationszusammenhänge entwickeln müssen und nach außen propagieren müssen, will sie nicht 1987 zusammen mit den GRÜNEN auf dem Misthaufen der Geschichte landen!

Dieser Artikel ist ebenfalls erschienen in:
"Studien von Zeitfragen", Jan./Febr. 1986 (auszugsweise)
"Atom" (ehem. Atomexpress), Nr. 3/4, 1986
"Inforundbrief -- Linke in den Grünen -- Hessen", April/Mai 1986
"Info-Rundbrief -- Münster", Nr. 29, 27. 2. 1986
"Der Osnabrecher", Osnabrück, 1986
Als "SF-Extrablatt", DIN A3-Format, Auflage 4.000 Exemplare

 

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