Aus: Grün-Alternative Liste (GAL) – Mitgliederrundbrief, April 1988

NPD und Landsmannschaften im Rat der Stadt Hamm

Eine kleine Bestandsaufnahme

In letzter Zeit häufen sich Bürgeranträge der NPD im Beschwerdeausschuß. Sie sind zum Teil gegen Ausländer gerichtet, zum anderen Teil haben sie zum Ziel, die NPD im kommunalpolitischen Bereich bekannt zu machen. Fast immer werden die Bürgeranträge im Westfälischen Anzeiger (WA) vorgestellt, wenn auch nur kurz.

Wurde 1988 mit der offiziellen Ratspost verschickt: "Selbstbestimmung. Auch für Deutsche"Als Mitglied des Beschwerdeausschusses (und des Ausländerbeirates) frage ich mich, wie wir als GAL mit Anträgen der Neonazis umgehen sollten. Die bisherige Praxis der Stadtverwaltung war es, bei der Antwort auf NPD-Bürgeranträge auf die Einhaltung bestimmter Gesetze zu pochen oder das Anliegen zurückzuweisen, da man nicht zuständig sei. Bei den Beschwerdeausschusssitzungen wurde bisher lediglich der entsprechende Tagesordnungspunkt aufgerufen und ohne jegliche Meinungsäußerung der Parlamentarier die ablehnende Stellungnahme der Verwaltung bestätigt. Auch die GAL hat bisher keinerlei Stellungnahmen abgegeben.

Es gilt nun zu überprüfen und zu diskutieren, ob dieses Verhalten auch in Zukunft sinnvoll ist. Im Folgenden stelle ich die Bürgeranträge der NPD seit dem Juli 1987 kurz vor und kommentiere sie gegebenenfalls:

2. Februar 1987: Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen im Rahmen der Stadtverwaltung nur für Deutsche. Die ablehnende Antwort der Verwaltung umfaßt immerhin 20 Zeilen - eine Mühe, die sich die Stadtverwaltung bei der Beantwortung von Bürgerinitiativ-Anträgen oft nicht macht.

8. Juli 1987: Herausgabe sämtlicher ausgewerteter Erhebungsunterlagen der Volkszählung an die NPD, um die Daten zum "Volkswohl" nutzen zu können. - Ganz schön dreist!

26. November 1987: Antrag an den Rat, sich öffentlich gegen ein Wahlrecht für Ausländer auszusprechen. Dazu ist anzumerken, daß ich drei Monate vorher im Ausländerbeirat eine Resolution für das Ausländerwahlrecht eingebracht habe, die auch im WA abgedruckt wurde. Der Hammer NPD-Antrag ist offensichtlich Teil einer bundesweit gesteuerten Kampagne, um sich gezielt in die Diskussionen der Stadtparlamente einzumischen (siehe Deutsche Volkszeitung vom 31. 12. 1987).

Broschüre der Stadt Hamm aus dem Jahr 19785. Januar 1988: Anfrage zur Bereitstellung von öffentlichen Räumlichkeiten für Landes-‚ und Bundesparteitage der NPD. Ahnliche Anträge wurden in Oberhausen und in Moers bekannt (siehe dazu "Politische Berichte, Essen-Ruhr" vom 18. 3. 1988). Dort wurden Räume für den NPD-Landesparteitag im April, Mai oder Juni gewünscht. Die Hammer Stadtverwaltung hat bisher (Ostern 88) noch nicht geantwortet.

 

12. Februar 1988: Befreiung von der Hundesteuer (!) für Hundehalter, die ein Tier aus einem Tierheim haben. - Die "Tierliebe" scheint bei den Rechten weiter verbreitet zu sein, als die Menschenliebe. – Die NPD hatte bereits im August 1985 gegen die Erhöhung der Hundesteuer protestiert. WA-Leserbriefschreiber, die ebenfalls empört waren, hat die NPD damals schon persönlich angeschrieben und sich als Bündnispartner angeboten.

 

1. März 1988: Einrichtung des Solebades nicht am Kurhaus, sondern im Freibad Werries.

 

Mit der Ratspost verschickt: "Ruppiner Mitteilung", August 1987Da wir 1989 Kommunalwahlen haben, ist damit zu rechnen, daß sich NPD-Anträge im Beschwerdeausschuß häufen werden. Ich halte es für sinnvoll, daß wir uns in Zukunft offensiver mit NPD-Anträgen auseinandersetzen. Publiziert werden die NPD-Anträge so oder so in der Lokalpresse. Die Totschweigetaktik von SPD und CDU hilft also nicht weiter. Bleibt nur die Frage, ob wir die NPD durch unsere öffentliche Stellungnahme und Beachtung nicht zu sehr aufwerten!

Außerdem sehe ich noch ein anderes Problem, was wir nicht unterbewerten sollten: In der CDU und den ihr nahestehenden Vertriebenen-, Soldaten- und Kyffhäuserverbänden wird auf viel breiterer Grundlage mit Unterstützung der Bundesregierung und mit finanziellen Zuwendungen durch die Kommune eine Politik betrieben, die in wesentlichen Teilen rechtsradikalen Vorstellungen nahekommt. Diese Gruppen sind mindestens genauso gefährlich, wie eine ein oder zwei Prozent starke rechtsradikale Splitterpartei.

Es ist ein Skandal, daß sich in einer von Sozialdemokraten regierten Stadt die ewiggestrigen Landsmannschaften (Sorauer‚ Ruppiner) in Form von jährlich stattfindenden "Heimattreffen" immer noch breitmachen können. Nächstes Jahr wird das 25. Jubiläum der "Patenschaft" Hamm - Ruppin anscheinend aufwendig gefeiert. Eine Dokumentation der "Patenschaft" wird in Zusammenarbeit (und mit dem Geld) mit der Stadt Hamm von der Landsmannschaft angestrebt (siehe "Ruppiner Mitteilung" August 1987).

Wir sollten uns als GAL darum kümmern, für welche Inhalte und für welche Gruppen die Stadt Hamm Geld ausgibt und entsprechende Initiativen ergreifen. Außerdem wäre zu betonen, daß Partnerschaften nur mit offiziellen Vertretungen von DDR- oder polnischen Städten von uns gewünscht werden und nicht Partnerschaften mit selbsternannten "Vertriebenen"-Verbänden.

Aus: "Ruppiner Mitteilung", August 1987Noch im letzten Jahr wurden an die Ratsmitglieder mit der offiziellen Ratspost die "Ruppiner Mitteilungen" verschickt. Auf dem Umschlag war folgender Aufdruck mit dem Brandenburger Tor zu sehen: "Selbstbestimmung. Auch für Deutsche." Das ist die typische rechtsradikale Agitation, die wir auch von der NPD seit Jahren kennen - nur diesmal bisher unbeanstandet verschickt von einer sozialdemokratisch regierten Stadt!

Wenn wir uns die Aktivitäten der Rechten in unserer Stadt genauer ansehen, werden sich für uns sicherlich etliche kommunalpolitische und antifaschistische Handlungsnotwendigkeiten ergeben.