Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 285, Januar 2004

Altbekannte "Junge Frechheit"

Na, ein kleiner Tabubruch gefällig? Die um Political Correctness bemühten Etablierten einmal so richtig aufschrecken?? – Hierzu taugt ein bischen "Anarchismus" allemal. Die oftmals als rechte TAZ bezeichnete "Junge Freiheit" benutzt gerne ihre wöchendliche Zeitschriftenschau, um Bruchstücke und Reizwörter aus anarchistischen Zeitungen zitierend, ihrer Leserschaft einerseits ein vermeintliches (und manchmal tatsächliches) Kuriositätenkabinett vorzuführen und andererseits die Allgegenwärtigkeit der "Nationalen Frage" selbst bei den vaterlandslosendsten aller Gesellen zu dokumentieren.

Junge Freiheit, November 1992Da wurde der "Schwarze Faden" (1998) für seine einstmalige "lagerübergreifende Diskussionsfreudigkeit" gelobt, bei der "Graswurzelrevolution" (2001) ihre "ideologische Offenheit" und "praktische Ironie" betont und bei "Espero" (2003) die Aversion gegen "Gewerkschaftsfunktionäre" und die positive Bezugnahme auf die "Freiwirtschaft" anerkennend hervorgehoben.

Doch die rechte Freude bleibt nicht ungetrübt: Die Dominanz "feministischer Themen", die Pro-Asyl-Kampagne (beim SF) und der vorrangige "Kampf gegen 'Rechts'" lässt die GWR in den Augen der Jungen Freiheit zu "Schröders libertären Wasserträgern degenerieren". Lediglich "Espero" kommt noch gut weg, ist doch bei einem Autor zumindest eine "positive Einstellung zur Arbeit" zu erkennen.

Mussolini muss es ja wissen ... ; JF vom 14. Juni 1996Nun handelt es sich bei der Jungen Freiheit nicht mehr wie vor 18 Jahren um einen versprengten Haufen spätpubertärer rechter Burschenschaftler, der sich mit ein paar geschickt inszenierten Grenzüberschreitungen hervortun wollte, sondern inzwischen um Deutschlands wichtigste Zeitung am rechten Rand mit zahlreichen Querverbindungen zur CDU/CSU und zu rechtsradikalen Parteien.

Die Junge Freiheit liegt vielerorts nicht mehr unter dem Ladentisch, sondern wird zunehmend im Sortiment als normale konservative Zeitung angeboten. Vielen Menschen fallen die rechtsextremen Untertöne ihres Inhalts nicht mehr auf. Dies war ein Grund dafür, dass das "Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung" (DISS) nach ihrem 1994 erschienenen Buch "Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit" eine aktuelle Untersuchung folgen liess.

Geboten werden handfeste Fakten über das Blatt und sein Umfeld, seine Geschichte und die geistigen Väter von der "Konservativen Revolution" der 20er und 30er Jahre. Kleine Portraits von 35 Junge Freiheit-Autoren zeigen in einem speziellen Kapitel, wie stark diese Zeitung organisatorisch und personell in das Netzwerk der extremen Rechten eingebettet ist. Schon bei der Darstellung der mit der Jungen Freiheit verbundenen Personen und Organisationen schauen die Autoren dieses Buches sehr genau hin und legen mit ihren ins Detail gehenden Analysen ihren wahren Charakter offen. Hervorzuheben ist die Betrachtung des Anzeigenteils beispielsweise mit "Todesanzeigen als politische Demonstration".

Der JF-Buchdienst empfiehlt ...; JF vom 23. Juli 1999Nachdem sich in den 90er Jahren die wahlpolitischen Hoffnungen der Jungen Freiheit auf die "Republikaner" zerschlagen haben, versucht sie den etablierten Konservatismus von rechts unter Druck zu setzen, indem sie wichtige Begriffe und Formeln innerhalb der Auseinandersetzung für sich vereinnahmt, um sie völkisch-nationalistisch umzuwerten. Die Autoren des Buches decken in beeindruckender Weise auf, wie diese rechte Zeitung durch zahllose subtile Anspielungen und die Benutzung bestimmter Codewörter nicht nur eindeutige Duftmarken setzt, sondern den Inhalt des Diskurses als Ganzes so verändert, dass es zwangsläufig immer um "Nationale Identität" gehen muss.

Über die zahlreichen ahnungslosen oder auch weniger ahnungslosen Menschen, die sich für ein Interview zur Verfügung stellten, um dann auf dieser Referenzliste von der Jungen Freiheit wie Trophäen vorgezeigt zu werden, ist schon viel geschrieben worden. Hinzu kommt, dass im November 2002 sogar Brandenburgs oberster "Verfassungsschützer" Innenminister Schönbohm ein zwei Seiten langes Interview gewährt hat.

Junge Freiheit vom 8. Mai 1998Einen Schwerpunkt des Buches bildet die Auseinandersetzung mit Alain de Benoist, der die dominierende außenpolitische Linie des Blattes formuliert. Gerade nach dem 11. 9. 2001 wurde von ihm das Bild der USA als Hauptfeind und eine Annäherung an radikale islamistische Positionen verstärkt in die rechte Debatte eingebracht. Die Junge Freiheit ist von seinen Positionen so begeistert, dass sie insgesamt vier seiner Bücher in ihrer Edition veröffentlichte und intensiv bewarb. Außerordentlich bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der von dem DISS aufgedeckte und bewertete Internettext von Alain de Benoist, indem er am 20. 3. 2003 im Zusammenhang mit dem Irakkrieg uneingeschränkt jeglichen terroristischen "Akt der Vergeltung" für "legitim und notwendig" erklärt, "wo immer er auch stattfinde". Die Junge Freiheit distanzierte sich nicht von der Kriegserklärung ihres Chefideologen.

Genauso wie Benoist haben viele JF-Autoren keine Angst vor angeblich linken Positionen, wenn sie innerhalb bestimmter Diskursfragmente die eigene Sichtweise und Position unterstützen. Diese "querverbindende Denkweise" verwischt bestehende politische Fronten zunächst einmal, damit die gesellschaftliche Hegemonie in diesem Bereich errungen werden kann. Das geschieht beispielsweise nach Meinung der Buchautoren ganz geschickt in dem kulturkritischen Diskurs ("deutsche Tiefe versus Oberflächlichkeit aus Hollywood"), wo auf die Achse Deutschland – Frankreich gesetzt wird und sich die anti-universalistische Polemik gegen die USA richtet. In diesem Zusammenhang versuchte die JF durch ein Interview mit der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy geschickt an die Themen der Antiglobalisierungsbewegung anzuknüpfen.

JF-Aufkleber: Political Correctness - Nein DankeDas DISS stellt die These auf, dass sich die Junge Freiheit publizistischer Techniken bedient, "die sich mit jenen krimineller Giftmüll-Schieber vergleichen lassen: falsche Deklaration von Ultragiften, Hoffen auf die Naivität der Empfänger, Mischung verschiedener hochgiftiger Substanzen mit harmloserem Material, um vorgeschriebene Grenzwerte zu unterschreiten (...)".

Den Beweis hierfür bleibt das Autorenteam nicht schuldig. Der Junge Freiheit – Artikel "Der Kampf um die Begriffe hat begonnen" vom 14. 9. 2001 wird exemplarisch einer 40seitigen äußerst lehrreichen Feinanalyse unterzogen. Angelehnt an Michel Foucaults Diskurstheorie gehen die Autoren davon aus, dass der Diskurs immer nur als ganzer wirkt. Das Geflecht von Vereinnahmungen, Anspielungen und verwendeten Symbolen wird Stück für Stück entwirrt und nach einer umfassenden Analyse der einzelnen Bestandteile in diejenigen Zusammenhänge eingeordnet, in die sie gehören. Auf diese Weise wird die tatsächliche Absicht des Junge Freiheit – Autors sichtbar gemacht.

 

Junge Freiheit, 13. Dezember 1996Im Gegensatz zu "entorteten" Deutschen, denen ausländische "Sportsöldner" (Orginalton JF) angeblich den Rang ablaufen, sieht die Junge Freiheit sich selbst als wahrhaft konservativ, während die kritisierte CDU/CSU nur Worthülsen zu bieten habe. Unter dem Strich stellt das DISS in dem analysierten Artikel der Jungen Freiheit eine äußerst schlichte Form der Beweisführung für die eigene rechte Position fest: "Nicht sie haben recht, sondern wir".

Dem inzwischen sattsam durch seine antisemitischen Äußerungen bekannten hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann wird in dem dokumentierten JF-Artikel vorgeworfen, er spreche von der "nationalen Identität" als einem "positiven Standortfaktor". Ein "spiritueller Begriff" (!) werde hiermit in "Kategorien ökonomischen Vernutzungsdenkens gefaßt". In der nun folgenden Analyse weist das DISS anhand dieses exemplarischen Artikels nach, dass "hier ein Pamphlet vorliegt, mit dem der völkisch gesinnte Autor sein Weltbild als einzig richtig und völlig normal durchzusetzen versucht".

Dieses Buch verlangt von seinen LeserInnen konzentrierte Aufmerksamkeit und an einigen Stellen auch etwas Mühe, den stellenweise sehr wissenschaftlichen Text zu verstehen. Wer sie nicht scheut, wird jedoch mit fundierten Erkenntnissen und manchen überraschenden Einsichten belohnt!

Martin Dietzsch, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Alfred Schobert: "Nation statt Demokratie. Sein und Design der 'Jungen Freiheit"" DISS 2003, 245 Seiten, 19,90 Euro

 

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