Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 421, September 2017
Antifa-Häkelclub im Visier der Lokalpresse
Wie der "Westfälische Anzeiger" in Hamm Antifaschisten an den Pranger stellt
Es war bereits vier Wochen nach G 20. Der Bundestagswahlkampf war langweilig. Und dann das Sommerloch. Dies nutzte der Redakteur Andreas Wartala (nicht zu verwechseln mit Walhalla!) beim Hammer "Westfälischen Anzeiger", um die Provinz aus ihrem Dämmerschlaf mit einem Aufmacher aufzuschrecken, der den Durchschnittsleser in die tiefsten Abgründe von Extremismus und Gewalt vor ihrer eigenen Haustür blicken ließ:
"'Haekelclub 590' im Blick. Jugendbündnis bei Staatsschutz aktenkundig / Schwarzer Block am Runden Tisch. Das Antifaschistische Jugendbündnis 'Haekelclub 590' aus Hamm ist beim Staatsschutz aktenkundig. Das ergaben Recherchen unserer Redaktion zum Thema 'linke Gewalt' in Hamm nach den Krawallen beim G20-Gipfel vor vier Wochen in Hamburg."
Penibel zitierte der Redakteur Statistiken des Staatsschutzes mit "Erkenntnissen" aus Hamm und breitete vor dem Auge der aufgeschreckten LeserInnen des Provinzblattes ein wahres Horrorszenario aus: Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Landfriedensbruch, Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Volksverhetzung gingen angeblich gleich dutzendfach seit 2013 auf das Konto des Häkelclub-Umfelds!
Dieser hat sich zu allem Überfluss auch noch frech in die Grundfesten demokratischer Institutionen dieser Stadt eingenistet: "Der Haekelclub ist Mitglied des von der Hammer Politik initiierten Runden Tisches gegen Radikalismus und Gewalt. (...) Finanziert durch Fördermittel aus dem Bundesprogramm 'Demokratie leben' ..." Gekrönt wird dieser Artikel von einem Titelfoto, auf dem in martialischer Pose schwerbewaffnete PolizistInnen in Hamm gerade einen am Boden liegenden Antifaschisten Fesseln anlegen.
In Hamm gibt es seit vielen Jahren eine rechte Szene, die eng angelehnt an ihr berüchtigtes Dortmunder Vorbild rege Aktivitäten vorweisen kann und bundesweit bekannte rechte Führungspersonen hervorgebracht hat. Das breite antifaschistische Jugendbündnis "Haekelclub 590", an dem auch Junggüne und Jusos beteiligt sind, hat sich den Rechten mit Demonstrationen und Kundgebungen entgegengestellt. Dabei wurden die Antifas in den letzten Jahren von der Polizei oft drangsaliert und behindert. Ein paar kleine Blockaden und Widerworte gegenüber der Polizei wurden "aktenkundig".
Der Westfälische Anzeiger stellte in seinem reißerisch aufgemachten Artikel nicht Drohungen, menschenverachtende Aktionen und Hetze der Rechten an den Pranger, sondern kurz vor der Bundeswahl die linke Gegenwehr. Rechte Leserbriefschreiber setzten anschließend Antifas mit "Terroristen" gleich. Stellungnahmen von der VVN und dem betroffenen Haekelclub wurden vom WA nicht abgedruckt. Einzig der Partei "Die Linke" gelang es, eine unmissverständliche Stellungnahme in dem Blatt zu platzieren.
SPD und Grüne duckten sich auffallend weg und sagten gar nichts dazu, obwohl es auch ihre Jugendorganisationen waren, die von der Lokalzeitung diffamiert wurden. Einen Tag später legte das Blatt nach und fragte einen kirchlichen Repräsentanten des Runden Tisches gegen Gewalt: "Gibt es (...) eine linke Szene in Hamm?" Die unverhohlene Lust auf Hexenjagd springt hierbei ins Auge.
Jahrelang haben wir uns daran gewöhnt, dass ein paar nette, zugängliche JournalistInnen des Lokalblattes unsere Themen wie Ökologie, Fahrradfahren, ja sogar Atomkraftkritik bereitwillig aufgegriffen haben. Dabei wurde nur zu gerne verdrängt, dass die Beschäftigung mit diesen Themen längst im Mainstream angekommen ist und nichts Außergewöhnliches mehr darstellt wie vor 40 Jahren. Wir haben also einerseits etwas erreicht, andererseits sind wir immer noch den konventionellen, rechten Medien ausgeliefert, wenn es darauf ankommt.
Der "Westfälische Anzeiger" gehört dem stramm-rechtskonservativen Verleger Dirk Ippen, der nicht nur mit seiner eigenen Kolumne die LeserInnenschaft höchstpersönlich auf den rechten Weg bringen will, sondern sich im Laufe der Jahrzehnte ein über die ganze Republik ausgebreitetes Lokalzeitungsimperium aufgebaut hat. In Hamm wurde in der Vergangenheit die rechtsradikale "Nationalzeitung" in der WA-Hausdruckerei Griebsch gedruckt und im Lokalteil erschienen Anzeigen für das Naziblatt (1). Um nicht der Willkür solcher Medienkonzerne ausgesetzt zu sein, ist es wichtig, eigene lokale Medien zu entwickeln, die nicht nur von uns selbst, sondern auch von vielen anderen Menschen gelesen werden.
Anmerkung
(1) http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=305:jugendzentrum-tot&catid=21:lokales-aus-hamm
Offener Brief zur Berichterstattung am 4. August im Westfälischen Anzeiger an den WA-Chefredakteur Martin Krigar. Anlass ist ein WA-Artikel vom 4. August, in dem der haekelclub im Zusammenhang mit Straftaten gebracht wird:
http://haekelclub590.de/?p=1409
WA-"Sündenregister" (unvollständig), dokumentiert im THTR-Rundbrief
Im "THTR-Rundbrief" habe ich mich seit über zwei Jahrzehnten kritisch mit der Berichterstattung im Westfälischen Anzeiger und dem Medienkonzern von Dirk Ippen auseinandergesetzt. Hier eine Auswahl, chronologisch angeordnet:
WA-Verleger expandiert:Tippen für Ippen
(Nr. 145, Mai 2015)
Dirk Ippen, Verleger der Hammer Tageszeitung "Westfälischer Anzeiger", besitzt zahlreiche Lokalzeitungen in der ganzen Bundesrepublik. Seit einiger Zeit baut sein Medienkonzern seine Vormachtstellung auch in Hessen aus. Bereits im Jahr 2003 übernahm er die eher sozialdemokratisch geprägte "Hessische/ Niedersächsische Allgemeine" (HNO).
Medien unterm Hammer (ohne Sichel) im Wahlkampfeinsatz
(Nr. 127, Juli 2009)
Szene im Büro der Partei "Die Linke": „Hör mal Nuri, der Vornholt vom Westfälischen Anzeiger geht schon die ganze Zeit vor unserem Büro auf und ab. Hast du einen Termin mit dem?" – "Nee, keine Ahnung, warum der hier so unauffällig herumschleicht. Vielleicht sollten wir ihn für ein Glas türkischen Tee hereinbitten?" – "Dann könnten wir ihn ja mal fragen, warum er von unserer letzten Presseerklärung nichts gedruckt hat" antwortet Alisan. - "Aber guck doch mal, da kommen Leute mit einer Styropormauer bis direkt vor unser Schaufenster – 'Freiheit statt Neokommunismus' steht drauf!"
http://www.reaktorpleite.de/nr-127-juli-09.html#Medien-unterm-Hammer
Nicht zu vergessen:Schönhuber
(Nr. 103, Dezember 2005)
Am 27. November starb der Neonazi und ehemalige Republikaner-Vorsitzende Franz Schönhuber. Er hatte noch wenige Wochen vor seinem Tod bei der bekannten Dresdener Bundestags-Nachwahl 2,5 Prozent für die NPD geholt. – Was hat denn das mit Hamm zu tun? Ein bisschen schon. 1969 und 1970 war Schönhuber Chefredakteur des Münchner Boulevardblattes tz, das heute ebenso wie der Hammer Westfälische Anzeiger zum Ippen-Imperium gehört.
http://www.reaktorpleite.de/nr.-103-dezember-05.html#Ippen
WA-Verleger: Ippen bizarr
(Nr. 81, März 2003)
Unsere Interviewanfrage wurde von Ippen mit einem Katalog von bizarren Bedingungen beantwortet: eine Filmerlaubnis gilt nur für sein Büro, nicht für den Verlag. Eine von Ippen herausgegebene Gedicht-Anthologie - "Des Sommers letzte Rosen" - ist im Beitrag zu erwähnen, die Fragen zuvor grob aufzulisten. Ungewöhnliche Forderungen, 'hauptsache kultur' ließ sich trotzdem darauf ein. Ippen sagte erst zu ... und dann wieder ab."
http://www.reaktorpleite.de/nr-81-maerz-03.html#Ippen
Ippen auf Expansionskurs?
(Nr. 77, November 2002)
Der Verleger Dirk Ippen besitzt nicht nur "Merkur" und "tz" in München, sowie zahllose Regionalzeitungen in Deutschland, sondern auch den "Westfälischen Anzeiger" in Hamm. Der Verleger, der seine Zeitungen schon mal als rechtsgerichtete Kampfblätter einsetzt (...), ist mit neuen Expansionsplänen ins Gerede gekommen.
http://www.reaktorpleite.de/nr-77-november-02.html#Ippen
Aus: THTR-Rundbrief Nr. 69, Mai 2001:
WA-Redakteure: Strammstehen!
Ungehalten stolziert Verleger Ippen vor der versammelten Mannschaft hin und her und verkündet in barschem Ton: "Und dass mir keiner von euch nur ein bisschen Verständnis für die Terroristen in Gorleben aufbringt!" – Den Redakteur Markus blickt er besonders prüfend in die Augen. Der weiss spätestens jetzt, was er zu tun hat:
Der "Westfälische Anzeiger" titelte am 29. 3. 2001 auf Seite eins: "Castor im Blockade-Terror" und im Text werden die alten Märchen von den Autonomen aufgetischt (noch nicht mitgekriegt: Die Autonomen sind müde geworden!).
Auf Seite zwei im Kommentar wird nochmal kräftig nachgetreten: "Sicher ist wohl, dass die 'Umweltschützer' von Robin Wood für ihr absurdes Einbetonieren selbst zur Kasse gebeten werden (bitte kräftig!)." – Ja, warum nicht den „Volkszorn“ gegen diese zotteligen Parasiten ein bisschen anheizen? Bald wird aufgeräumt mit diesem Pack!
Und die normalen Bürger im Wendland, was ist mit denen? – Klar doch, die sind "von St. Florian inspiriert" (WA vom 27. 3. 2001), was denn sonst.
Wer die bundesdeutsche Presse zu Gorleben liest, wird feststellen, das keine andere Zeitung so plump und so dreist die Tatsachen verdreht, wie der WA. Selbst die Springerpresse kommt im Vergleich merkwürdig zahm daher. Übrigens: Ob es der Ippenschen Anweisungen an die Redakteure wirklich bedurft hat, ist fraglich. Die schreiben womöglich aus freien Stücken so. Auch ein Armutszeugnis.
Aus: THTR-Rundbrief Nr. 62, Juli-August 1999
Volkshochschule zum WA
Gut besucht war am 10. 5. 1999 die VHS-Veranstaltung mit unserem langjährigen Mitglied unserer Bürgerinitiative Karl Schulte über das Thema "Was halten die Hammer Bürger von ihrer Tageszeitung?". Wie der Referent den mitunter haarsträubenden Blödsinn, den dieses Käseblatt verzapft, analysierte und zitierte – daran hätte sicher auch Karl Kraus, der größte Lügenanalyst aller Zeiten, dessen 125. Geburtstag übrigens in diesem Jahr gefeiert wird, seine wahre Freude gehabt.
Das Publikum diskutierte und räsonnierte eifrig mit, der abgestellte Käseblatt-"Spion" blieb in Deckung, der WA seiner Tradition treu und berichtete über ein wirklich wichtiges Ereignis lieber nicht.
Aus: "THTR-Rundbrief" Nr. 61, Februar – März 1999
WA - Komplize der Atomindustrie?
"Knapp zwei Monate nach dem Freispruch für einen Castor-Gegner am Amtsgericht Dülmen ist gestern in Osnabrück das Verfahren gegen die Komplizin des Demonstranten eingestellt worden." – Das ist Orginalton "Westfälischer Anzeiger" vom 6. 1. 1999. Und was bedeutet 'Komplize' laut Duden? "Abwertend für Mitschuldiger".
Was haben die beiden 'Komplizen' schlimmes angestellt? Sie haben sich an die Bahngleise angekettet, um einen Castorzug nach Ahaus aufzuhalten. Und weswegen hat das Gericht das Verfahren eingestellt? Und weshalb bezeichnet der WA die beiden Demonstranten trotzdem demagogisch als "Komplizen", wie bei Schwerverbrechern? Und was für ein Blatt ist der WA??
Aus: "THTR-Rundbrief" Nr. 56, September/Oktober 1997
"Käseblatt" Westfälischer Anzeiger
Rechtzeitig zum Jubiläum "175 Jahre WA" bemerkt "Die Zeit" vom 11. 7. 1997 über den Eigentümer des WA: "Wenn man den Verleger aus Hamm, der sich von Fehmarn bis zu den Alben ein Inselreich von Zeitungen erobert hat, 'den König der Käseblätter' nennt, dementiert Ippen zuerst einmal den König. (...) Ippen nennt seine Blätter 'Familienzeitungen', die den Leser begleiten: 'von der Geburtsannonce bis zur Todesanzeige'."
Anderes ist dem Verleger nicht so wichtig: "Wir sind sicher kein intelektuelles Spezialitätengeschäft ..." Das merkt man deutlich, wenn mensch sich den neuesten Artikel zu Ahaus ansieht. Reißerrisch stand da am 13. 8. 1997 auf Seite eins: "Ahaus in Angst vor den Atom-Chaoten". Während der atomfreundliche Stadtdirektor für seine platten Rechtfertigungsversuche breitesten Raum in Anspruch nehmen kann, kommt der BI-Sprecher nur in vier Zeilen zu Wort. – Wie wärs denn das nächste Mal, verehrte Redakteure, mit: "Plündernd und brandschatzend ziehen Horden von Umweltschützern durchs Münsterland"??
Aus: "THTR-Rundbrief" Nr. 54, November 1996
Zum Westfälichen Anzeiger: Nur schimpfen hilft nicht!
"Eine wahre Demokratie ist nicht zu erreichen, so lange die Presse sich in den Händen von Leuten befindet, die in erster Linie an Geld-Erwerb denken und nur in letzter Linie mit Hilfe der Presse der Menschheit dienen wollen; für diese Leute ist die Presse und die Absicht, Aufklärung und Wissen zu verbreiten, lediglich ein Geschäft wie jedes andere auch. (...) Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derart unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen." (von B. Traven/Red Marut, 1919)
Es gehört in Hamm bei vielen Menschen mittlerweile zum guten Ton, bei passender Gelegenheit einige abfällige Bemerkungen über Hamms Monopolblatt von sich zu geben (Zum Thema siehe die Ausgaben 50 bis 53 vom THTR-Rundbrief).
Aber niemand ergreift die Initiative, etwas gegen die papiergewordene Zumutung zu tun. Möglich wäre Einiges. Eine aus mehreren Vereinen zusammengesetzte Arbeitsgruppe "Bürger wehren sich gegen den WA" könnte die journalistische Praxis des WA exemplarisch in einigen Fällen aufdecken und öffentlich machen, den Ippen-Konzern näher unter die Lupe nehmen, oder jährlich ein "Schwarzbuch" nicht veröffentlichter oder entstellt wiedergegebener Presseerklärungen herausgeben.
Oder versuchen, ansatzweise ein Gegengewicht zum WA zu schaffen. Das geht natürlich nicht, wenn jeder Verein sich nur darauf beschränkt, sein eigenes Hausblättchen in einer Auflage von zwei- oder dreihundert Exemplaren zu produzieren. Zusammenarbeit, Engagement und der Wille sich zu wehren, müssten zusammenkommen.