Aus: "Informationen: Kernkraftwerke im Münsterland", Nr. 4, 1976

Bürgerinitiative Umweltschutz in Hamm gegründet!

Vor einigen Monaten hat sich in Hamm eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung einer Bürgerinitiative gegen den Bau der Atomkraftwerke bei Hamm/Uentrop gegründet. In ihr arbeiteten hauptsächlich jüngere Mitglieder verschiedener Gruppierungen und Unorganisierte zusammen, um sich gegen den Bau der Atomkraftwerke zur Wehr zu setzen.

In Hamm gab es nur 40 Einsprüche gegen das geplante zweite Atomkraftwerk neben dem im Bau befindlichen Thorium-Hochtemperatur Reaktor (THTR). Dies lag zum einen daran, daß

+ in der Presse kaum auf die Möglichkeit eines Einspruches gegen das Atomkraftwerk hingewiesen wurde,

+ die Gruppe der Atomkraftwerksgegner noch sehr klein war,

+ die Einspruchsfrist gegen das Atomkraftwerk am 24. 12. 1975 und gegen den Kühlturm am 24. 1. 1976 abgelaufen ist und somit wenig Zeit vorhanden war, viele Leute zum Widerspruch zu bewegen.

Erst Ende Januar 1976 kamen verstärkt Aktivitäten zustande; auch gab es jetzt mehr Mitglieder in der Arbeitsgruppe. Es wurden verschiedene Flugblätter verteilt, Infostände in der Einkaufsstraße aufgestellt und mehrere Berichte und Leserbriefe in der Lokalpresse veröffentlicht.

Doch uns war klar, daß größere Anstrengungen nötig waren, um den Bau der Atomkraftwerke bei Hamm zu verhindern. Dies konnte von einem kleinen Kreis nicht geleistet werden. Deshalb beschlossen wir am 18. 2. 1976 eine Bürgerinitiative zu gründen, in der möglichst viele Bürger mitarbeiten können und die für alle Interessierte offen ist. Zwei Tage später sollte eine Podiumsdiskussion mit Dieter Teufel von dem Arbeitskreis Umwelt an der Universität Heidelberg und Vertretern der VEW und des Umweltausschusses des Rates der Stadt Hamm stattfinden.

Um für diese beiden Veranstaltungen zu werben, wurden über 40 Verbände und Einzelpersonen direkt angeschrieben, 2.500 Flugblätter verteilt und Presseerklärungen für die Zeitungen verfasst. Die Westfäliche Rundschau - WAZ berichtete wie bisher ziemlich gut, aber der weit größere Westfälische Anzeiger (WA) druckte nur eine kleine Notiz - und dann noch mit falschem Datum!"Westfälische Rundschau" vom 17. 2. 1976

Die Gründung

An der Gründungsveranstaltung beteiligten sich ca. 60 Bürger, von denen sich 47 sofort entschlossen, bei der Bürgerinitiative mitzumachen. Erfreulich war das lebhafte Interesse von neu hinzugekommenen älteren Personen. Nach einigen einleitenden Worten und einem kurzen Vortrag, indem die Gefahren der Atomkraftwerke aufgezeigt wurden‚ versuchten wir gemeinsam, die organisatorischen Probleme zu lösen. In der Satzung wurde der Zweck des Vereins folgendermaßen dargestellt:

"Ausgehend von der Tatsache, daß die Umwelt heute eines besonderen Schutzes bedarf, sieht der Verein seine Aufgabe im Umweltschutz vor allem darin, zu verhindern, daß Bevölkerung, Klima und Landschaft durch Atomindustrien und deren Folgen gefährdet werden."

Die Mehrheit der Anwesenden war der Meinung, daß man sich für den Erörterungstermin am 11. 3. 1976 vorbereiten sollte. Auch sollen Aktionen zur 1. Kuratoriumssitzung des Fördervereins für das geplante Atommuseum am 4. 3. 1976 geplant werden.

Zum Schluß wurde noch einmal betont, daß bei den zukünftigen Aktivitäten nicht wie bisher, ein kleiner Kreis im Vordergrund stehen dürfe, sondern sich alle Mitglieder beteiligen sollten.

Die Bürgerinitiative trifft sich vorerst jeden Dienstag um 19.00 Uhr im DGB-Haus (Nordenwall 5) in Hamm.

"Westfälischer Anzeiger" vom 23. 2. 1976Zu der Diskussionsveranstaltung am 20. 2. 1976 kamen die Vertreter der VEW und des Umweltausschusses des Rates nicht. Der Umweltausschuss reagierte überhaupt nicht. Die VEW begründeten ihr Ausbleiben einen Tag vor der Veranstaltung folgendermaßen:

"Presseveröffentlichungen sowie Flugblätter, mit denen Sie auf Ihre Aktivitäten aufmerksam machen‚ kann entnommen werden, daß es das erklärte Ziel Ihrer Vereinigung ist, sich gegen den Bau eines Kernkraftwerkes‚ wie Sie schreiben, 'zur Wehr zu setzen'. Wir müssen daraus schließen, daß das Anliegen Ihrer Veranstaltung am 20. Februar 1976 nicht in einer sachlichen und objektiven Diskussion zu sehen ist. Insbesondere vermissen wir die Nominierung eines Gesprächsleiters‚ der die Gewähr für eine neutrale Leitung der Veranstaltung bietet."

Doch wenn auch die eingeladenen Herren nicht erschienen, so kamen jedoch 150 besorgte Bürger, die dem einleitenden Vortrag von Dieter Teufel zuhörten und dann selber kräftig mitdiskutierten.

Atommuseum in Hamm?

In Hamm soll für 15 bis 20 Millionen DM von Atomkraftwerksherstellern‚ der Bundes- und Landesregierung und der Stadt Hamm ein Museum für Kernenergie und Energietechnik gebaut werden.

Da dieses Museum von der Bevölkerung letztendlich durch Steuern und Strompreise bezahlt werden muß‚ wäre eine angemessene Beteiligung der Bürger an diesem Projekt geboten. Doch die Initiatoren der Fördergesellschaft für das Museum und ihre Vorgehensweise sprechen eine deutliche Sprache. Es wurden von ihnen vollendete Tatsachen geschaffen, indem für den Förderverein folgende Vorstandsmitglieder der Öffentlichkeit präsentiert wurden:

Oberstadtdirektor Dr. Tigges‚ Prof. Dr. Kniza (Vorstandsvorsitzender der VEW Dortmund. Die VEW ist die Betreiberin von den Atomkraftwerken bei Hamm), Dr. Schneider (Bankdirektor der Deutschon Bank Hamm) ‚ Prof. Dr. Pumplün (Fernuniversität Hagen), Wilfried Prüß (Vorstandsmitglied der Westfälischen Union), Prof. Dr. Steinmetz (Vorstandsmitglied des Hauses der Technik in Essen).

Es wäre zu fragen, wo hier die Bevölkerung repräsentiert wird. Ist gewährleistet‚ daß auch über Gefahren der Atomkraftwerke informiert wird? Die Antwort hat Dr. Tigges im Wochen-Anzeiger am 19. 2. 1976 schon gegeben: "Daß dem Museum auch die Aufgabe zukommt, die 'starke Verunsicherung der Bevölkerung abzubauen', liegt auf der Hand, denn sonst würden sich die Atomkraftwerksbetreiber selbst nicht so stark engagieren".

Versprechungen, daß keine Propaganda für Atomkraftwerke gemacht werden würde, kann keinen Glauben geschenkt werden, da die Atomkraftwerksbetreiber und die Bundes- und Länderregierungen die Mittel für das Museum bereitstellen sollen.

Anmerkungen

Das Atommuseum und das geplante zweite Atomkraftwerk wurden in Hamm nicht gebaut. Der THTR musste nach nur wenigen Betriebstagen und vielen Störfällen, technischen Problemen und Widerstandsaktionen der Bürger 1989 stillgelegt werden. Die weitere Entwicklung der Bürgerinitiative und der Gang der Ereignisse ist hier nachzulesen:

http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=307:rueckblick-15-jahre-buergerinitative-umweltschutz-hamm&catid=21:lokales-aus-hamm

http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=299:buergeriniative-umweltschutz-25-jahre-apo-in-hamm&catid=21:lokales-aus-hamm

 

 

 

 

 

 

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