Aus: "Westfälischer Anzeiger", 24. 11. 1992

Helmut-Plontke-Straße in Hamm? (Leserbrief)

Selbstbildnis von Helmut PlontkeAls ehemaliger Schüler von Helmut Plontke würde ich seine Ehrung sehr begrüßen. Als ich jedoch gesehen habe, daß ausgerechnet die sogenannten "Republikaner" eine Helmut-Plontke-Straße beantragt haben, mußte ich zunächst laut lachen.

Plontkes Bilder sind eine ernste Warnung vor den Schrecken des Krieges und des Völkermordens. Er befürwortete konsequent die Hinwendung zum Mitmenschen und verarbeitete wichtige Impulse ausländischer Kulturen in seinem künstlerischen Werk.

Die Romane Dostojewskis und Tolstois beeinflußten ihn stark. Mit den asiatischen Kulturkreisen beschäftigte er sich intensiv. Plontke illustrierte die erste Übersetzung vietnamesischer Lyrik in deutscher Sprache. Heute gehört es zur gesamtdeutschen Realität, daß Vietnamesen ihres Lebens nicht mehr sicher sind.

Mit Vorliebe griff Plontke zu "kraftvollen Arabesken" als Stilmittel, während heute deutsche Rassisten mit dem absurden Schreckgespenst einfallender arabischer Horden im Kopf auf Menschenjagd gehen. Die sogenannten "Republikaner" sind heute die geistigen Wegbereiter für derartige fanatisierte Haßausbrüche. Diese Partei stellt den "Rattenfänger" dar, den Plontke gemalt hat und uns mit diesem Bild eine ernste Warnung von der Verführung durch Demagogen mitgegeben hat.

Plontkes Zeichenstunden wurden in der Realschule oft zu erhellenden Geschichtsstunden. Nie werde ich vergessen, wie er mit ganzem körperlichen Einsatz die vorhandene Gewaltbereitschaft und Unduldsamkeit gegenüber fremden Völkern und anderen Meinungen demonstriert hat: Im Unterschied zu anderen Nationen zeichnet sich die deutsche Politik oft dadurch aus, daß sie es nicht mit einem einfachen Sieg über einen "Gegner" beläßt – nein, sie muß noch einmal kräftig nachtreten, um den "Feind" auch wirklich gründlich und erbarmungslos zu vernichten.

Zum Glück haben sich in den letzten Wochen hunderttausende von Menschen der braunen Pest durch Demonstrationen gewaltfrei entgegengestellt. Helmut Plontke wäre bei ihnen gewesen, wenn er noch leben würde.

Straßenschild "Helmut-Plontke-Weg"

 

Mit Plontke-Zeichnungen. "Die achtundzwanzig Sterne" (Hoffmann & Campe, 1966), Vu Hoàng Chuong. Nachwort: Rudolf Hagelstange

Anmerkung:

Inzwischen gibt es einen Helmut-Plontke-Weg auf dem Deich nördlich des Datteln-Hamm-Kanals zwischen der Fährstraße und der Lippestraße. Auf dem Straßenschild ist ergänzend zu lesen: "1922 –1991 Maler und Kunsterzieher in Hamm". Eine Würdigung von Plontkes künstlerischem Schaffen, das ihm wirklich gerecht würde, steht in Hamm allerdings noch aus. Auch im Hamm-Wiki findet mensch nur wenige Sätze.

Der in meinem Leserbrief erwähnte von Plontke illustrierte Gedichtband mit Vietnamesischer Lyrik heißt "Die achtundzwanzig Sterne" (Hoffmann & Campe, 1966). Der Autor ist Vu Hoàng Chuong. Das Nachwort schrieb Rudolf Hagelstange.

 

In dem großen Bildband "Kunst zwischen Schwarz und Weiss" (1986) sind auf dem Außenumschlag über Helmut Plontke (geb. am 29. Januar 1922, gestorben am 2. November 1991) folgende Zeilen zu lesen:

"Geboren am 29. Januar 1922 in Neunkirchen, Kreis Siegen. Er wuchs in seinem Geburtsort als Sohne des Malers Emil Reinhold Plontke und der Pianistin Adelheid, geborene von Glafey, auf. Der Onkel, Professor Paul Plontke, galt als Deutschlands berühmtester Madonnenmaler.

Nach dem Abitur, 1940 am Realgymnasium Betzdorf an der Sieg leistete er mit 17 Jahren Kriegsdienst, vorwiegend an der Front in Rußland. Von 1946 bis 1948 studierte er an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und an der Staatlichen Kunstschule Jo Strahn in Düsseldorf-Niederkassel.
 
1950 wandte er sich seiner "visionären zeichnerischen Gestaltung" zu.

Er studierte von 1950 bis 1952 an der pädagogischen Akademie Dortmund und schloß sein Studium mit der Volksschullehrer- und Realschullehrerprüfung ab.

« Le soutier suprême » in « Visions pour une Apocalypse » (1959) von Helmut Plontke1952 begann er seine Tätigkeit als Kunsterzieher an der Städtischen Realschule Hamm. Aufgrund einer Krankheit ließ er sich 1978 in den Ruhestand veretzen. In seiner Wohnung in der Goethestraße 27 in Hamm widmete er sich seitdem ausschließlich der seiner Kunst.

Helmut Plontke ist ein Zeichner, Maler und Radierer von internationalem Ruf. In über 84 persönlichen Ausstellungen u. a. in Paris, Brüssel, Berlin, Sao Paulo, New York und einer großen persönlichen Auststellung in Island unter Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft zeigte er seine Werke einem weltweiten Publikum.

Hinzu kamen über 140 Ausstellungsbeteiligungen u. a. in Amsterdam, Antwerpen, Oslo, Budapest, München, Moskau, Leningrad, Tel Aviv, Jerusalem, Madrid, Chicago, Warschau, Nottingham, New York. Er ist in sieben internationalen Kunstlexika vertreten. (...)

Plontke ist Mitbegründer der internationalen Künstler-, Philosophen- und Poetenvereinigung "Fantasmagie" mit den Zentralen in Paris und Brüssel. Sein Werk umfaßt heute mehr als 13.000 Zeichnungen."Geschrieben von Helmut Plontke

 

Rainer Wirth schreibt in einer achtseitigen undatierten Mappe mit Zeichnungen Plontkes:

"Der 1922 in Neunkirchen/Kreis Siegen geborene Zeichner bezieht sein künstlerisches Selbstverständnis aus den traumatischen Kriegserfahrungen in Rußland.

Die Berührung mit der russischen Literatur, Dostjewski, Gogol, Liesskow und Tolstoi half Plontke, die quälenden Erinnerungen zu verbannen. Ab da verdichteten sich die Visionen einer gequälten Welt, von da an führte der Kopf die Hand des Künstlers. Fast zwanghaft entstanden immer mehr und immer eindringlichere Bilder, malen und zeichnen wurde zum Lebensinhalt.

In mehr als 90 persönlichen Ausstellungen im In- und Ausland konnte das Kunstpublikum seine Arbeiten kennenlernen.

Seit 1966 steht die Miniatur im Mittelpunkt seines Wirkens. Mit der Lupe entstehen die gleichnishaften Warnungen vor der Selbstzerstörung, dem Chaos und dem Untergang.

Plontke will das Groteske, Skurrile und Surreale im unkontrollierten Geschehen der Welt sichtbar machen, das atavistisch-Unergründliche als Ursache der zerstörerischen Angst darstellen.

Es ist die Abscheu vor allem Bösen, das den Künstler antreibt, das Dunkle mit der Feder sichtbar und transparent zu machen."

 

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