Originalbeitrag vom 11. März 2022

Fukushima, Krieg, Klima und mögliche Nuklearkatastrophe

Am Fukushima-Jahrestag (11. März 2022) habe ich während der Mahnwache auf dem Marktplatz in Hamm folgende Rede gehalten:

Die Umstände bringen es mit sich, dass wir heute nicht nur über Fukushima, sondern auch über Tschernobyl, Krieg, sowie Klima- und Nuklearkatastrophen reden müssen. Wir müssen leider festhalten, dass all das, wovor wir jahrzehntelang immer wieder gewarnt haben leider tatsächlich eingetreten ist.

Die Folgen der Reaktorkatastrophe in Fukushima, die vor 11 Jahren stattfand, beschäftigen uns auch heute noch. 1,3 Millionen Tonnen hochradioaktives Kühlwasser will die japanische Regierung nächstes Jahr ungefiltert in das Meer einleiten. Das ist unverantwortlich!

Wir haben immer davor gewarnt, dass Atomkraftwerke bei kriegerischen Konflikten ein riesige Gefahr darstellen. Jetzt stehen die 19 Reaktorblöcke in der Ukraine in diesem Krieg teilweise direkt unter Beschuss. Granaten schlagen auf dem Reaktorgelände ein, Anlagenteile brennen.

Fukushima-Jahrestag 2022 in HammBeim Atomkraftwerk Tschernobyl gibt es keinen Strom mehr für die Notkühlung. Direkt am Gelände wird gekämpft. Wir alle schrammen haarscharf an einer Nuklearkatastrophe vorbei! Hätten wir vor einigen Monaten auf dieses Szenario hingewiesen, hätten uns manche Panikmache vorgeworfen!

Die Betreiber der Nuklearfabriken in Gronau und Lingen haben jetzt ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland gekappt. Aber eben nur zu Russland. Von diesen beiden Fabriken wird der nukleare Brennstoff für über 30 Atomkraftwerke geliefert. Weltweit, auch in die Ukraine. Seit 2014 lieferte Urenco dieses radioaktive Material nach Saporischschja, das nur 200 Kilometer von der seit acht Jahren umkämpften Frontlinie liegt (1). Das war unverantwortlich!

Und diese Atomkraftwerke können auch das Material für Atombomben produzieren. Die zivile und die militärische Nutzung sind zwei Seiten einer Medaille. Viele Staaten wollen die uneffektive und teure Atomkraft nur deswegen haben, um an Atomwaffen zu kommen. Die Atomindustrie ist ein militärisch-industrieller Komplex!

Die Bundesregierung hat angesichts des Krieges verkündet, 100 Milliarden Euro für militärische Rüstung auszugeben. Ich halte fest: Dieses Geld wird für die Bekämpfung der Klimakatastrophe und den Ausbau erneuerbarer Energien fehlen! Und es wird fehlen für unzählige soziale Belange, die in diesem Land seit Jahren zukurz kommen (2)!

Jede Waffe, die von der Bundesregierung in das Kriegsgebiet geschickt wird, wird diesen Krieg nicht abkürzen, sondern verlängern! Es werden zehntausende Menschen sterben und die Ukraine wird bald komplett in Trümmern liegen. Wofür? Eine bessere Zukunft wird es aufgrund der Kriegsfolgen auf absehbare Zeit nicht geben. Wozu ist also dieser Krieg gut? Ist es für die Ukraine wirklich sinnvoll, ihren Kampf so zu führen, wie er jetzt geführt wird? Gibt es keine Alternativen?

Westfälischer Anzeiger vom 12. März 2022In den Medien werden zu diesem Krieg vorzugsweise Minister, Generäle, Boxer und Militärexperten befragt. Echte Friedens- und Konfliktforscher kommen fast nie zu Wort. Wir erleben gerade eine fatale Renaissance des militärischen Denkens. Grundsätzlich andere zivile Konflikt-Lösungsmöglichkeiten werden in den Medien kaum beachtet.

In den 70er und 80er Jahren haben wir als Bürgerinitiativbewegung folgende Kampfmethoden entwickelt: gewaltfreie Aktionen, Blockaden, Zivilen Ungehorsam und Boykott beispielsweise. In Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung wurden diese Elemente zu einem Konzept geformt: Es ist die Soziale Verteidigung (3). In den 80er Jahren war sie Bestandteil des grünen Parteiprogramms (4) und im Bundestag fanden Hearings und Parlamentsdebatten zu diesem Thema statt. Es ist höchste Zeit, diese Themen wieder verstärkt in die Debatte einzubringen!

Wir sollten nicht nur weiterhin Flüchtlinge aufnehmen, sondern auch Deserteure von beiden Seiten unterstützen und uns der Kriegsunlogik widersetzen!

Anmerkungen

1) https://taz.de/Lieferungen-von-Gronau-in-die-Ukraine/!5840693/

2) Als „Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm“ haben wir den aktuellen Aufruf von IPPNW und BBU mitunterzeichnet: http://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Energiestatement_Ukrainekrieg.pdf

3) https://www.soziale-verteidigung.de/system/files/soziale_verteidigung_mit_kopf.pdf

4) Ab Seite 26: https://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0024_gru_de.pdf

 

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