Aus: "Westfälischer Anzeiger" (WA) vom 23. 11. 1988

Bezirksvertretung Uentrop: WA fordert meinen Rücktritt!

Zur obligatorischen Anmache der obligatorische Leserbrief. Angesichts leerer Kassen kann unter den gegebenen Umständen die Bezirksvertretung Uentrop bei einem Haushaltsplan nur noch geringfügige Änderungswünsche anmelden. Traditionell machen diese Wunschanmeldungen SPD und CDU unter sich aus. GAL-Vorschläge wurden trotz detaillierter Begründung seit Jahren nicht mehr berücksichtigt. Die Länge der umfangreichen CDU- und SPD-Reden stehen bei diesen Haushaltsplanberatungen in umgekehrtem Verhältnis zu dem realen Einfluss, den sie ausüben können.

Wenn der WA-Redakteur die Jahr für Jahr gebetsmühlenartig sich wiederholenden Redewendungen und Rituale, sowie ihre weitgehende Folgenlosigkeit für ein wünschenswertes Politikelement hält, muss ihm natürlich jeder, der da nicht begeistert mitmacht, suspekt vorkommen. Wer grün-alternative Politik macht, lässt sich von diesem vom Westfälischen Anzeiger (WA) mit aufgebauschten Theater nicht beeindrucken und setzt mit seiner Arbeit dort an, wo er es inhaltlich wichtig findet und wo es möglich ist, den Gang der Ereignisse mitzubestimmen.

Für einen GAL-Bezirksvertreter in Uentrop hat der Widerstand gegen den Thorium Hochtemperatur-Reaktor (THTR) oberste Priorität. Dazu gehören neben der Beteiligung an Aktionen, der Stärkung der Strukturen der Bürgerinitiativen, Artikelschreiben für Zeitschriften auch vielseitige überregionale Kontakte. Aber dafür interessiert sich der WA-Redakteur anscheinend nicht, weil es ihm nicht ins Weltbild passt. Die ausführlichen Einwendungen der GAL-Uentrop gegen die Transportbereitstellungshalle des THTR waren ihm zum Beispiel keine einzige Zeile wert.

Horst Blume auf einer Blockade vor dem THTR im Jahr 1986Wer es wagt, andere Prioritäten als ein WA-Redakteur zu setzen, der soll gefälligst "den Platz frei machen" (WA vom 19. 11. 1988)! Ein solch rüder Ton gegenüber Andersdenkenden und -handelnden hat in diesem Land Tradition und wundert mich nicht weiter.

Angesichts der atomaren Bedrohung durch den THTR dürfte sich bei den nächsten Kommunalwahlen die Mehrheit der Hammer Bevölkerung weniger für die Artikulation obrigkeitsstaatlicher Unduldsamkeiten als für aktive Anti-Atomkraftpolitik interessieren.

Anmerkung

Es kam öfters vor, dass die insgesamt 133 Bezirksvertreter in den sieben Bezirksvertretungen in Hamm ein- oder zweimal im Jahr auf einer Sitzung fehlten. Als ich das einzige Mal während der gesamten fünfjährigen Legislaturperiode nicht teilnehmen konnte, weil ich während dieser Zeit an einer Aktion gegen den THTR teilgenommen habe, wurde ich in einem bösartigen Kommentar eines WA-Redakteurs sogleich zum Rücktritt aufgefordert. Dieses Vorkommnis zeigt, wie in dieser Zeitung mit zweierlei Maß gemessen wurde und wie anmaßend sie mit ihrer Macht umgegangen ist.