Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 224, Dezember 1997

Ahaus: Schienendemontage nur als letztes Mittel

Zum Schienenaktionstag am 18. Oktober 1997 in Ahaus ist noch mehr zu sagen, als im kurzen Bericht stand. Zwei Tage vorher wurden 1,80 Meter Gleise herausgsägt. Davon wusste ich allerdings noch nichts, als mich ein Rundfunkjournalist einen Tag vor dem Aktionstag anrief und fragte, ob wir von Hamm aus trotz dieses "Anschlags" nach Ahaus fahren würden. Also betonte ich lediglich, dass wir als Bürgerinitiative selbstverständlich den gewaltfreien Widerstand der Ahauser Bürger unterstützen und zur Demonstration hinfahren.

THTR-Rundbrief Nr. 32In Ahaus angekommen, waren wir doch ziemlich enttäuscht, dass sich gerade mal etwas über eintausend Menschen beteiligten. Zum einen hatte die Schienendemontage zwei Tage vorher und die damit verbundene negative Medienberichterstattung viele Bürger davon abgehalten, zu kommen. Unabhängig davon war die tatsächlich erreichte Mobilisierung in NRW trotz vieler Rede über den erstarkten Widerstand in Ahaus gering – insbesondere bei den Grünen. Aus Hamm war zum Beispiel kein einziges Parteimitglied dabei. Die Folge war, dass sich nur ein sehr begrenztes Spektrum von TeilnehmerInnen am Aktionstag beteiligte: Größtenteils die immergleichen AKW-Gegner, die mensch seit Jahrzehnten kennt und das eher autonome Spektrum.

Wenn ein Sprecher der Demonstranten der Polizei ankreidet, bei den Schienenaktionen seien "selbst zwölfjährige Kinder mit Kabelbinden gefesselt und von ihren Eltern getrennt worden" (Frankfurter Rundschau vom 20. 10. 1997, Graswurzelrevolution Nr. 223, Seite 2), so ist dieses Vorgehen der Polizei selbstverständlich zu verurteilen. Aber es sollte auch die Frage erlaubt sein, wie verantwortungsvoll die Eltern gehandelt haben, die zu solch einer gefährlichen Aktion ihre Kinder mitgenommen haben.

THTR-Rundbrief Nr. 56 Ebenfalls sollten Menschen sich nicht wundern, dass die Staatsmacht mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Beschädigung der Gleise zu verhindern. Der Aufruf zum Schienenaktionstag hat ja explizit vorgeschlagen, dass sich "größere und kleinere Gruppen auf den Weg machen, durch und über das Privatgleis der BZA bis zur BI-Wiese zu kommen". Die Polizei wurde also bestens informiert und wer halbwegs realistisch war, konnte sich ausrechnen, dass die Polizei auch unter einem grünen Polizeipräsidenten dabei nicht zusieht und Däumchen dreht.

Desweiteren ist nach dem Sinn der Aktionen am Gleis zu fragen. Zu diesem Zeitpunkt war längst klar, dass die Castortranporte erst irgendwann im nächsten Jahr stattfinden werden. Gleisbeschädigungen Monate vor einem Transport ergeben meiner Meinung nach keinen positiven Sinn, weil sie zum einen ihr unmittelbares Ziel verfehlen. Zum Anderen werden atomkraftkritische Bürger unnötigerweise verprellt und von einer Beteiligung an eindeutig gewaltfreien Aktionen abgehalten. Deswegen muss das Mittel "Schienenbeschädigung" äußerst vorsichtig, taktisch klug und wirklich nur als allerletztes, durchaus problematisches Mittel angesehen werden.

Wenn wir uns bei den Aktionen auf eine rein technische Ebene (Zerstörung der Gleise) begeben, werden wir unter Umständen einige kurzfristige Erfolge erzielen, aber die Sympathie der Mehrheit der Bevölkerung verlieren, wie dies T. M. Nehmer aus Elmshorn in der Ausgabe der Graswurzelrevolution in Ausgabe 226 (auf Seite 6) völlig richtig beschrieben hat. Und dass der Staat auf lange Sicht mit seinen Machtmitteln auf rein technischer Ebene uns überlegen ist, dürfte klar sein.

 

"Ahaus. Das Buch zum Castor"Anmerkungen

Weitere Artikel zum Thema Ahaus:

 

"Vom 'Runden Tisch' zum Tag X" (2000)

http://www.machtvonunten.de/atomkraft-und-oekologie.html?view=article&id=234:ahaus-vom-runden-tisch-zum-tag-x&catid=20:atomkraft-und-oekologie

"Castortransporte von Hamm nach Ahaus. Zwei Bürgerinitiativen wehren sich gegen Atomkraft" (1999)

http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=303:castortransporte-von-hamm-nach-ahaus&catid=21:lokales-aus-hamm

 

 

 

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