Aus: Westfälischer Anzeiger (WA) vom 27. 11. 2012
Zum Überfall auf den Hindu-Tempel in Hamm
"Hoffe auf Zuspruch und Solidarität"
Leserbrief von Horst Blume zum brutalen Überfall auf die Familie des Hindupriesters Paskaran und den Sri Kamadchi Ampal Tempel in Hamm-Uentrop.
Zum Tathergang schrieb Radio Lippewelle am 10. 11. 2012 folgende kurze Zusammenfassung auf ihrer Homepage:
"Gegen 23.10 Uhr haben mehrere maskierte Männer mit einer Axt die Haustür des Priesters eingeschlagen und die neunköpfige Familie mit Messern bedroht. Auf der Suche nach Bargeld und Schmuck verwüsteten die Täter das Haus des Priesters und zwangen ihn, den Tempel gleich gegenüber aufzuschließen. Dort plünderten sie Opferstöcke und raubten den religiösen Goldschmuck der Göttin Sri Kamadschi Ampal. Anschließend fesselten die Unbekannten die komplette Familie im Haus und flüchteten. Gegen halb zwei Uhr in der Nacht konnte sich Priester Paskaran befreien und die Polizei alarmieren. Der 49-jährige ist mit Pfefferspray besprüht worden und musste im Krankenhaus behandelt werden. Ein weiteres Familienmitglied erlitt leichte Schnittverletzungen. An dem Raubüberfall waren mindestens fünf Täter beteiligt - ein rechtsradikaler oder politisch motivierter Hintergrund für die Tat wird von der Polizei ausgeschlossen."
Leserbrief, abgedruckt am 27. 11. 2012 im Westfälischen Anzeiger (WA):
Ein wichtiger Aspekt bei der Darstellung und Bewertung des schlimmen Überfalls auf die Familie des Hindu-Priesters Paskaran und des Sri Kamadchi Ampal Tempels in Hamm-Uentrop fehlt mir fast ganz. Die tamilische Minderheit ist seit Jahrzehnten und bis heute in Sri Lanka massiver Gewalt und Vertreibung ausgesetzt. Es ist sehr tragisch, dass diese zum Teil traumatisierten Menschen auch in der Bundesrepublik Deutschland erneut von eben jenen gewalttätigen Übergriffen heimgesucht werden, denen sie entfliehen konnten.
In der BRD leben seit vielen Jahren etwa 60.000 Tamilen. Insgesamt sind 700.000 Menschen, also 30 Prozent der in Sri Lanka lebenden Tamilen vor dem mörderischen Bürgerkrieg ins Ausland geflüchtet (siehe: Martin Baumann; "Tempel und Tamilen in zweiter Heimat", S. 44; diese Literaturangabe wurde im WA leider nicht abgedruckt). Trotz der seit 1983 einsetzenden Pogrome haben sie in der BRD nur unter allergrößten Schwierigkeiten und behördlichen Schikanen eine Duldung oder Aufenthalterlaubnis erhalten, weil der deutsche Staat oftmals in Abrede stellte, dass die Tamilen in Sri Lanka einer gezielten Verfolgung ausgesetzt sind. In der BRD untergebracht unter oftmals unwürdigen Bedingungen in Asylbewerberheimen und in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, wurden sie im von nationalistischen Stimmungen aufgeladenen wiedervereinigten Deutschland nach 1990 ebenfalls mehrmals zum Opfer rassistischer Übergriffe. Diese schlimmen Erfahrungen wurden in dem 2010 erschienen Roman "Mit dem Wind fliehen" von Ranjith Henayaka (Horlemann Verlag) verarbeitet.
Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis von Pfarrer Tilman Walther-Sollich im WA vom 17. 11. 2012 durchaus zu unterstreichen, dass der gewalttätige Überfall auf den Hindu-Tempel ausgerechnet am Tag des Gedenkens an die Pogromnacht des 9. Novembers 1938 gegen die jüdischen Mitbürger stattfand.
Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang, dass uns in Hamm mit dem Hindutempel direkt vor unserer Haustür die Möglichkeit eröffnet wurde, neue Erfahrungen zu sammeln und interessante kulturelle Anregungen aufzunehmen. Denn immerhin hat der Hinduismus in Gestalt von Mahatma Gandhi zahlreiche westlich orientierte Menschen mit der Praxis der gewaltfreien direkten Aktion und des Zivilen Ungehorsams bekannt gemacht und ihnen damit die Möglichkeit aufgezeigt, sich effektiv und teilweise sogar sehr erfolgreich gegen Militarismus und Atomkraftwerke zu wehren. Ein Unterfangen, dass der nur schwach ausgebildete Seitenzweig des explizit gewaltfrei orientierten politischen Christentums allein nicht geschafft hätte.
Ich hoffe, dass trotz der schlimmen Ereignisse die Tamilen in Hamm und Umgebung genug Zuspruch und Solidarität erfahren, damit sie sich hier in Zukunft wohlfühlen können und sich auch für sie ihr Motto erfüllt: "Die Menschen in aller Welt sollen glücklich werden!"
Anmerkung:
Wikipedia über den Hindutempel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel
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Bilder von dem Hindu-Fest am Sri Kamadchi Ampal-Tempel in Hamm-Uentrop im Jahr 2007 (alle Fotos sind von Horst Blume):
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