Aus: "IPPNWforum", Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 2003, Nr. 83

Der Meiler aus der Mottenkiste

THTR: exportierte Atomkraft

Der für seine enorme Anzahl von Störfällen bekannt gewordene und 1989 stillgelegte Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop wird unter Umständen eine große Anzahl von Nachfolgern bekommen - weltweit! Wegen seiner Kühlung mit Helium und seinen tennisballgroßen Brennelementen unterscheidet er sich von allen anderen Reaktortypen und wird deshalb auch Kugelhaufenreaktor genannt.

Eine unausgereifte Technik, frühzeitige Materialermüdung und die unvorhergesehene sehr hohe Kugelbruchrate führten zu einer nicht enden wollenden Kette von Störfällen, sodass dieser Reaktor nur 423 Vollsttage von insgesamt 1600 genehmigten Tagen in Betrieb sein konnte. Dies führte neben dem Widerstand der Bevölkerung zu wirtschaftlichen Problemen der Betreiber, die zu seiner Stilllegung führten. Bereits 1988 war der in Deutschland ebenfalls noch existierende kleine HTR-Versuchsreaktor in Jülich stillgelegt worden. Zur Zeit gibt es nur noch kleinste HTR-Versuchsanlagen in China, Japan und Indien.

Unter gleich zwei rotgrünen Regierungen im Bund und im Land NRW wurde und wird jedoch immer noch im Forschungszentrum Jülich (FZJ) an der Weiterentwicklung dieser Reaktorlinie gearbeitet, um in Südafrika den Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) - eine THTR-Variante - zu bauen. Das FZJ, das seit Jahrzehnten ungehindert auf dem Gebiet der HTR-Entwicklung forscht, hat allein im Jahre 2002 insgesamt 262 Millionen Euro von Bund und Land erhalten. Nach eigenen Angaben hat das FZJ durch seinen Wissenstransfer lediglich dazu beigetragen, dass die Südafrikaner in der Sicherheitsforschung auf den neuesten Stand kommen.

Im Kern geht es allerdings darum, dass mit Hilfe einer deutschen Forschungseinrichtung und unter Duldung von Rotgrün in einem anderen Staat da weitergemacht wurde, wo die Atomindustrie 1989 in Hamm-Uentrop aufhören musste.Beide rotgrüne Regierungen in Deutschland betonen in ihren Antworten auf die Anfragen der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm ausdrücklich, dass sie die Atomforschungen und Exportbemühungen des FZJ unterstützen und positiv sehen. Schließlich handele es sich um Sicherheitsforschung und durch die Jülicher Arbeit würde die Sicherheit der Atomkraftwerke im Ausland positiv und korrigierend beeinflusst. Ohne die jahrzehntelang finanzierten und politisch geförderten Vorleistungen und Vorarbeiten in Deutschland wäre der jetzt geplante Bau neuer AKW's nicht möglich gewesen. Desweiteren ist überaus fraglich, wie die von der NRW-Landesregierung zugesicherte Nicht-Weitergabe von Uran mit dem erklärten Ziel Südafrikas, den HTR zu exportieren, in Übereinstimmung gebracht werden kann.

Geplant sind in Südafrika viele kleinere 110 MW-Reaktoren, die dann auch weltweit exportiert werden sollen. Bei dem staatlichen südafrikanischen Energieversorgungsunternehmen ESKOM handelt es sich um ein berüchtigtes ehemaliges Schlüsselunternehmen unter dem Apartheidregime, das mit eigenen bewaffneten Milizen gegen Bürgerrechtler mit brutaler Gewalt vorging und auch später Millionen armer Menschen den Strom abstellte, weil sie die überteuerten Energiepreise nicht bezahlen konnten.Der PBMR soll in Koeberg nur 28 Kilometer von Kapstadt gebaut werden. Hier stehen am Atlantik schon zwei Druckwasserreaktoren mit jeweils 922 MW Leistung. 1982 hat der ANC durch eine Sabotageaktion wenige Tage vor der Beladung mit Brennstäben die Inbetriebnahme verzögern können. Er tat dies, weil er verhindern wollte, dass das weiße Rassistenregime mit Hilfe des dort entstehenden Plutoniums seine militärische und wirtschaftliche Machtposition im südlichen Afrika ausbauen konnte.

Heute befürwortet der ANC als Regierungspartei den Bau der neuen Reaktorlinie direkt neben den beiden alten Reaktorblöcken.Widerstand wird von Umweltaktivisten der Organisation "Earthlife Africa" organisiert. Im letzten Jahr sind Greenpeace-Aktivisten während des Weltumweltgipfels in Johannisburg in den militärischen Sperrbereich von Koeberg eingedrungen und haben öffentlichkeitswirksam ein großes Transparent entfaltet. Gegen die Genehmigung der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung sind bis zu 25. Juli 2003 zahlreiche Einsprüche eingereicht worden. Die Einwendungsfrist musste aufgrund des öffentlichen Drucks bis zum 25. August verlängert werden.

Inzwischen wurden in der Kapstadtregion riesige Erdgasfelder entdeckt und beleben die Energiediskussion um Alternativen zur Atomkraft ungemein. In den allerletzten Tagen vor dem Verstreichen der Frist hat die Dreimillionenstadt Kapstadt Einspruch eingelegt und sogar die regionale Handelskammer rückt von ihrer pro Atomkrafthaltung ab. Das sind wichtige Teilerfolge. Die Regierung in Südafrika rechnet jedoch immer noch mit dem Baubeginn des PBMR im 1. Quartal 2005!

In Deutschland versuchen die Verantwortlichen für den Atom-Knowhow-Export das Problem totzuschweigen. Umweltminister Trittin antwortet seit 6 Monaten nicht nur auf unsere Eingabe nicht, sondern ignoriert ebenfalls Fragen des grünen Kreisverbandes Münster. Forschungsministerin Bulmahn schrieb uns, das das Forschungszentrum Jülich in Zukunft nur noch eine sogenannte Expertise zu einigen Sicherheitsaspekten des PBMR erstellen soll und antwortet auf unsere konkreten Nachfragen seit vier Monaten nicht. Außenminister Fischer, der im Jahre 2000 Südafrika besuchte und unter dessen Oberhoheit die aktuellen nuklearen Kooprationen zwischen Deutschland und Südafrika vereinbart worden sind, schweigt ebenfalls. Das Problem der Hochtemperaturreaktor-Technologie wird in Zukunft ohnehin in Deutschland wieder eine größere Rolle spielen. Wenn die jetzige Opposition aus CDU/CSU/FDP in drei Jahren an die Regierung kommen sollte, dann wird sie den Ausbau der HTR-Technologie massiv fördern – so hat sie es im Jahr 2002 in dem Minderheitsvotum der Enquete Kommission "Nachhaltige Energieversorgung" angekündigt.

 

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