Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 332, Oktober 2008

Atomindustrie macht (K)Asse!

Es sickert die Lauge, es rostet der Müll, es ächzt das Deckgebirge. Die unverantwortbaren Zustände im Atommülllager Asse sind bereits seit Jahrzehnten bekannt. Sie wurden ein weiteres mal in einem Gutachten benannt, dass die niedersächsische Landesregierung 1993 unter Verschluss hielt.

Obwohl Bundesumweltminister Gabriel sich heute überrascht und empört zeigt, war er selbst seit Jahrzehnten an den Versäumnissen beteiligt. Von 1990 bis 2005 als Landtagsabgeordneter von Niedersachsen, sogar Mitglied im Umweltausschuss. Und von 1999 bis 2003 als Ministerpräsident. Asse ist sein Heimatwahlkreis! Was hat er all die Jahre getan? – Jetzt übernimmt sein Ministerium das marode Atommülllager und er spielt sich als verantwortungsvoller Retter in der Not auf.

In der Asse wurde der Atommüll der nuklearen Frühzeit der Bundesrepublik versenkt, als in Karlsruhe und anderswo in der 50er und 60er Jahren an der Urananreicherung und Atombombenproduktion geforscht wurde. Asse wird noch so Einiges an den Tag bringen.

Die Anti-AKW-Bewegung sollte das Assedesaster die nächsten Jahre geschickt nutzen, um auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam zu machen. Denn die Bewegung befindet sich zur Zeit in der Defensive. Der ohnehin dürftige "Atomausstieg" wird gerade von CDU und FDP sturmreif geschossen und hält vielleicht noch ein Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl.

Die CDU will verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken der Bevölkerung schmackhaft machen, indem sie finanzielle Entlastungen in Aussicht stellt. Sie treibt vom sozialen Abstieg bedrohte vor sich her und erpresst sie. Und die Union wird besonders in einer wirtschaftlichen Stagnationsphase damit Erfolg haben, wenn wir dem nicht entschieden entgegensetzen, dass AKW´s Gelddruckmaschinen für Konzerne und nicht für Arme sind.

Abgesehen von regionalen "Widerstandsnestern" ist die außerparlamentarische Anti-Atombewegung kaum mehr sichtbar. Händeringend suchen JournalistInnen in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet nach diesen Exoten aus dem letzten Jahrhundert, die etwas über den Widerstand gegen Atomkraftwerke erzählen können. Werden diese Berichte dann veröffentlicht, sind die anschliessenden LeserInnenkommentare und Meinungsäusserungen von einer so unglaublich beschämenden Niveaulosigkeit, dass es einem den Atem verschlägt.

Der alte, in der Mehrheit der Bevölkerung verankerte Anti-Atomkonsens existiert nicht mehr. Viele ehemalige Aktive beteuern treuherzig: Wenns wieder richtig ernst wird, dann würden sie wieder auf die Strasse gehen. Und die TAZ preist mit defensiven Durchhalteparolen ihre neuen Buttons an: "Bleiben Sie Atomkraftgegner!"

Doch effektiver Widerstand lebt von bewusst agierenden Gruppen, die Knackpunkte und Ziele herausarbeiten, Aktionen organisieren und andere Menschen mitreissen. Mit anderen Worten: In einem Großteil der Regionen können wir wieder von vorne anfangen. Und ich höre schon die begeisterten Ausrufe zahlloser einsatzfreudiger AnarchistInnen: "Wir freuen uns selbstverständlich über diese neue Herausforderung!"

 

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