Aus: "Lunapark21", Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie, Nr. 9, 2010
Emirate ölen Atomkraft
Hilfe aus BRD und Südkorea - Zentrum für erneuerbare Energien im Zentrum der Ölförderung
Als am 28. 12. 2009 gemeldet wurde, dass ein südkoreanisches Konsortium mit dem Bau von vier 1.400-Megawatt-Atomreaktoren in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAR) beauftragt wird, richtete sich das Augenmerk auf die Blamage des unterlegenen Bieterkandidaten aus Frankreich. Lediglich einige Zeitungen äußerten eine gewisse Verwunderung darüber, dass das drittgrößte Erdölförderland der Welt mit zusätzlich vielen Möglichkeiten zur Gewinnung von Solarenergie ausgerechnet Atomenergie als Energieoption wählt.
Konzerne strahlen
Der Auftrag für den Bau von vier Reaktoren eines völlig neuen Typs hat einen Wert von 20 Milliarden Euro. Anschlussaufträge über 14 Milliarden Euro stehen in Aussicht.(1) Der erste Reaktor soll angeblich 2017 ans Netz gehen, weitere sollen bis 2020 folgen. "Zu dem südkoreanischen Bieterkonsortium um KEPCO (Korea Electric Power Corporation) gehören Hyundai Engineering and Construction, Samsung C&T und Doosan Heavy Industries sowie das in den USA beheimatete Unternehmen Westinghouse Electric, das zur japanischen Toshiba gehört.
In Südkorea sind zur Zeit 20 Atomkraftwerke in Betrieb und fünf im Bau. Damit hat das Land zusammen mit Japan und Taiwan die höchste AKW-Dichte der Welt gemessen an der Bevölkerungszahl. Von dem neuen Reaktortyp war im Juli 2009 erst Einer im Bau und drei standen vor Baubeginn. Südkorea verfügt also bei diesem Reaktor über keinerlei Betriebserfahrungen. Die vollmundige Behauptungen über die hervorragenden Sicherheitseigenschaften dieser Reaktoren müssen erst noch in der Praxis bewiesen werden.
Ignorierte Sicherheitsbestimmungen
In jüngerer Zeit kann man viel über tatsächliche oder angebliche Verletzungen atomrechtlicher Verpflichtungen durch den Iran lesen. Kaum beachtet werden vergleichbare Vorgänge in Staaten, die prowestlich eingestellt sind – etwa in 'Indien, in Pakistan – oder eben in Südkorea. Dazu schrieb die Neue Züricher Zeitung (2) jüngst: Mitte November hat der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), al-Baradei, die Situation in Südkorea zusammengefasst. Er stellt darin fest, dass das Land zwischen 1982 und 2000 verschiedene Experimente und Aktivitäten durchführte, die es der IAEA nicht, wie es aufgrund der Safeguard- Abkommen verpflichtet gewesen wäre, meldete. Dazu gehören die Konversion von Uran und dessen Anreicherung ebenso wie die Abtrennung von Plutonium.
Auch in den letzten Jahren waren die Inspektoren in Wien offensichtlich noch mit Falschinformationen abgespeist worden. So wollte die Atombehörde Ende 2002 und im April 2003 im koreanischen Atomenergie-Forschungsinstitut Kaeri in Daejeon das Zentrum für Laserforschung besuchen, erhielt aber keine Erlaubnis dazu. Im März dieses Jahres (2009) wurden die Inspektoren zwar zugelassen, durften aber keine Proben nehmen. Es wurde erklärt, das Forschungsprogramm umfasse keine nuklearen Materialien. Am 23. August erfolgte dann aber die Erklärung, dass hier tatsächlich Uran abgetrennt worden war." Die internationale Atomenergieorganisation (IAEA) sprach gegenüber Südkorea einen förmlichen – faktisch folgenenlosen - Tadel aus.
Hilfe aus Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland ist in diese Vorgänge involviert. Am 11. 4. 1986 schloss die westdeutsche Regierung mit Südkorea einen zehnjährigen und später verlängerten Kooperationsvertrag ab: Die Kooperation umfasst auch die "Lieferung von Plänen, Zeichnungen und Spezifikationen". Besonders interessant: "Weitergabe von Material, Kernmaterial (!), Ausrüstung, Anlagen und Technologie zur Planung, zur Errichtung und zum Betrieb von Kernkraftwerken sowie sonstiger kerntechnischer Anlagen und Forschungseinrichtungen" (Seite 323). In dem Vertrag wird sogar die Weitergabe von "Kernmaterial" an Drittstaaten erlaubt, wenn die innerhalb der IAEO vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden (Seite 324).(3)
Als im Jahre 2005 Bundesumweltminister Jürgen Trittin innerhalb der rotgrünen Koalition eine Aufhebung bzw. eine nichtnukleare Anpassung des Kooperationsvertrages anmahnte, inszenierte der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement einen Kleinkrieg gegen den grünen Koalitionspartner. Clement konnte sich durchsetzen. Inzwischen sendet der ehemalige Juniorpartner Südkorea selbst seine atomaren Exportsignale.
Adäquate Energieform für autoritäres Feudalregime
Die Vereinigten Arabischen Emirate, flächenmäßig so groß wie Österreich, bestehen aus insgesamt sieben Emiraten, von denen zwei besonders wichtig sind. Dubai, das in Zahlungsschwierigkeiten steckt und das reiche Abu Dhabi, das die Atomkraftwerke bestellt hat. In der ″Financial Times Deutschland″ wurden die Gründe für die atomare Hochrüstung wie folgt zusammengefasst:
"Die Emirate müssen die Leistung ihres Kraftwerksparks nach eigener Einschätzung bis 2020 auf 40.000 Megawatt verdoppeln. Ursachen sind der Einstieg in energieintensive Industriebranchen wie Chemie und Aluminiumerzeugung sowie ein starkes Bevölkerungswachstum. Auch der aufwendige Lebensstil der wohlhabenden Einwohner, für die Klimaanlagen oder der eigene Pool selbstverständlich sind, trägt dazu bei. Bisher haben die Emirate den wachsenden Strombedarf überwiegend mit neuen Gaskraftwerken gedeckt. Doch der relativ emissionsarme Brennstoff lässt sich weitaus lukrativer im Ausland vermarkten, statt ihn zu subventionierten Preisen in heimischen Kraftwerken zu verbrennen. Den erneuerbaren Energien trauen die Araber nicht - trotz der bevorzugten geographischen Lage der Wüstenregion. Einzelne Vorzeigeprojekte wie die emissionsfreie Stadt Masdar, die derzeit nahe Dubai entsteht, ändern daran nichts" (4).
Die geostrategische Lage der Vereinigten Emirate ist brisant. An der Schifffahrtsroute am Golf von Oman gelegen, gibt es Streitigkeiten mit dem mächtigen Iran wegen einiger kleinerer Inseln. Wenn im Nahen Osten mit den Krisengebieten Irak, Israel/Palästina und Iran eine Atommacht hinzukommt, hat dies weitreichende Folgen.
Ein atomares Netzwerk
Hinzu kommt, dass das Emirat Dubai schon jahrzehntelang eine äußerst zweifelhafte Rolle als Drehscheibe für Atomwaffenkomponenten gespielt hat: Die ″heißen Deals″ werden, so das Kölner Zollkriminalamt (ZHA), auch über die Vereinigten Emirate abgewickelt. Eine herausragende Rolle spiele dabei die "Jebel Ali Freezone" in Dubai. Dort seien über 2000 Firmen ansässig, die alle an sie gelieferten Waren aus dem Bereich ″Dual-Use-Güter″ an den Iran, aber auch an Libyen, Nordkorea, Pakistan und Syrien weiterleiten.(5) Der "Vater der pakistanischen Atombombe" Abdul Quadeer Khan hatte immer einige Geschäftspartner seines Netzwerkes in Dubai stationiert.
... durch erneuerbare Energien geadelt
Welch Dreistigkeit hinter der nuklearen Energieoption der Vereinigten Arabischen Emirate steckt, zeigt der folgende Umstand: Am 16. und 17. Januar 2010 fand die weltweit branchenführende Veranstaltung "World Future Energy Summit" (Weltgipfel für Energien der Zukunft) in Abu Dhabi statt. Am 19. Januar wurde in dem Emirat der "Zayed Future Energy Prize" (Zayed-Preises für Energien der Zukunft) verliehen.
Kurz darauf (22./23. Januar 2010) traf sich in Abu Dabi die Beratungsgruppe zum Klimawandel des UN-Generalsekretärs. Schließlich wurde am gleichen Ort im Zeitraum 16. bis 23. Januar 2010 ein "Programm für führende Nachwuchskräfte im Bereich Energien der Zukunft" (″Young Future Energy Leaders Program") debattiert.
Damit werden Abu Dabi und die Vereinigten Arabischen Emirate in engem Zusammenhang mit der Kopenhagener Klimakonferenz als eine Region geadelt, die für nachhaltige Energie steht. Ein Grund für diese Aktivitäten ist auf den Umstand zurückzuführen, dass Abu Dhabi seit 2009 Sitz der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, der IRENA (International Renewable Energy Agency), ist. Das Emirat hatte sich 2008 gegenüber Bonn als Mitbewerber durchgesetzt. Die staatliche "Germany Trade & Invest", Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, definiert die Aufgabe von IRENA folgendermaßen: "Hauptaufgabe der Irena wird sein, Industrie- und Entwicklungsländern bei den administrativen Rahmenbedingungen für die Stärkung erneuerbarer Energien und Entwicklung von Kompetenzen zu unterstützen."(5)
Gewissermaßen um die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens zu unterstreichen, bestellte das Gastgeberland Abu Dhabi nur wenige Monate nach der Installation dieser famosen Alternativenergie-Agentur die angeführten vier neue Atomkraftwerke und legte sich obendrein auf zusätzliche mittelfristige nukleare Folgeaufträge fest. Wie gut die Alternativenergien bei den den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgehoben sind, gibt die BRD-Wirtschaftsförderungsgesellschaft "Germany Trade & Invest" ganz offen zu: "Dass sich die GCC-Staaten (6) zu einem Topmarkt für die erneuerbaren Energien entwickeln, ist allerdings unwahrscheinlich. Immerhin liegt es nicht im Interesse der Erdölproduzenten, sich den Ölpreis durch ein zu großes Engagement bei den erneuerbaren Energien zu verderben. In diesem Zusammenhang warnt die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) in einer Studie vor den Gefahren der Destabilisierung des Ölpreises bei einer zu starken Entwicklung von Biokraftstoffen, aber auch der erneuerbaren Energien."
Neues Kriegspotential
In den 1980er Jahren rüstete der Westen in Afghanistan fundamentalistische Gruppen auf, um die sowjetische Armee zu besiegen. Die Folgen sind heute vor Ort zu bestaunen – die westlichen Alliierten sind nicht imstande, die Region zu kontrollieren. Der Krieg in Afghanistan hat bereits auf den Atomwaffenstaat Pakistan übergegriffen und droht die gesamte Region zu destabiliieren...
Die atomare Hochrüstung, die inzwischen in den Vereinigten Arabischen Emiraten betrieben wird, könnte ebenfalls weitreichende Folgen haben. Hier wird ein Regime mit atomarer Technologie ausgerüstet, das diktatorisch regiert.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Staatsbürgerschaft der VAR – auch aufgrund des Reichtums – über eine gewisse innere Stabilität verfügt, so muss bedacht werden: Diese macht nur rund ein Fünftel der Bevölkerung der VAR aus. 80 Prozent der Menschen, die in den Emiraten leben, bestehen aus extrem ausgebeuteten Menschen aus Indien, Pakistan, Bangla Desh und dem Iran. Auch ist die geostrategische Lage der Vereinigten Arabischen Emirate brisant: An der Schifffahrtsroute am Golf von Oman gelegen, nahe an den Konfliktregionen Israel, Palästina, Iran und – nicht zuletzt – Jemen.
Anmerkungen:
(1) Der Reaktortyp der dritten Generation hat die Bezeichnung APR 1400 MW (=Advanced Power Reactor);
(2) Neue Züricher Zeitung vom 26. 11. 2004
(3) Financial Times Deutschland vom 8. 9. 2009
(4) Angaben zusammengefasst nach einem Bericht in: Saar-Echo vom 26. 8. 2004."Dual-use-Güter": Produkte, die sowohl in der zivilen Wirtschaft wie in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden können.
(5) http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/trade.html
(6) GCC-Staaten (Gulf Cooperation Council – Golf Kooperationsrat) sind: Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Allgemeine Angaben nach: ntv vom 27. 12. 2009 ; "Faktenblatt" August 2009, Nuklearforum Schweiz; TAZ vom 16. 3. 2005; www.reaktorpleite.de
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