Aus: "Der Grüne Hammer. Die Stadtzeitung für Natur- und Umweltschutz", Nr. 8, 1979
Bookchin: Ökologie, Technik und Herrschaft
Murray Bookchin hat in den USA durch seine Aufsätze über Ökologie viel Aufsehen erregt, weil er die Schwächen der Umweltschutzbewegung schonungslos aufzeigte. Für uns hat sein Buch an Aktualität gewonnen, weil die Ökologiebewegung auch hier in der BRD eine nicht wegzuleugnende Realität geworden ist.
Während sie am Anfang nur umweltbedrohende Projekte ablehnte und reagierte, versucht sie jetzt gesamtgesellschaftliche Alternativen aufzuzeigen. An diesem Punkt setzt Murray Bookchin an und weist nach, daß nur eine freie, die Herrschaft des Menschen über den Menschen beseitigende Gesellschaft die Grundlage für ein Leben sein kann, das nicht im Widerspruch zur Natur steht.
Seiner Meinung nach wird die arbeitende Bevölkerung durch nervtötende Arbeit und eine zentralisierte und unmenschliche Technologie daran gehindert, die wirkliche Natur des technologischen Apparates zu begreifen. Folgerichtig schlägt Bookchin vor, daß die Technologie so geändert werden muß, daß sie kontrollierbar wird.
Wenig förderlich für diese Entwicklung zu mehr Übersichtlichkeit scheinen ihm die in letzter Zeit vorgeschlagenen "alternativen" Großtechnologien zu sein. Da werden kleine Gärtnereien von einem sich auftuenden Markt für biologische Nahrungsmittel zu einer fragwürdigen Form des biologisch-dynamischen Agribusiness verleitet, Sonnenkollektoren und Windgeneratoren – ursprünglich als alternative Energiequelle gedacht – werden zu riesigen Kraftwerken, die den heutigen Konventionellen in Größe und Unüberschaubarkeit in nichts nachstehen.
Bookchin schreibt: "Aufgrund ihrer Dimension sind sie in geradezu klassischer Weise herkömmlich." Seiner Meinung nach bilden die Teile des Ökosystems deshalb eine Gemeinschaft, weil sie qualitativ voneinander verschieden sind und sich daher in der Fülle der Vielfalt ergänzen.
Alternative Technologie ist nur insofern ökologisch, als sie dieser Vielfalt förderlich ist. Der Gigantismus der Konzerne müsste durch kleine Industrieeinheiten ersetzt werden, wenn die Menschen die direkte Verfügungsgewalt über eine überschaubare Ökotechnologie erlangen und die Kontrolle über ihr Alltagsleben in all seinen Bereichen und Aspekten wiedergewinnen sollen, die ihnen vor Jahrhunderten von einer herrschenden Hierachie in Politik und Wirtschaft entrissen wurde.
Entfremdete Beziehungen sieht Bookchin aber nicht nur im bestehenden kapitalistischen System, sondern auch in vielen sozialistischen Alternativen und vergangenen und gegenwärtigen Revolutionsversuchen. Bookchin zeigt auf, daß nur die direkte und unvermittelte Selbstverwaltung für Ökogemeinschaften grundlegend sein kann.
Murray Bookchin: "Die Formen der Freiheit" , Verlag Büchse der Pandora, Telgte-Westbevern. 118 Seiten, 7,50 DM
Nachtrag:
"Der Grüne Hammer" war eine Alternativzeitung, die von 1977 bis 1989 erschien. Als im Jahre 1977 die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm die erste Ausgabe von Der Grüne Hammer herausgab, wurden Menschen, die sich mit ökologischen Themen beschäftigten, noch als seltsame Exoten belächelt. Die meisten Medien ignorierten die Aktivitäten von Umweltschützern oder zeichneten von ihnen oft ein höchst undifferenziertes Zerrbild. Um diesen Missstand in Hamm etwas auszugleichen, erschienen bis zum Jahre 1982 insgesamt 23 Ausgaben, die im Hand- und Kneipenverkauf und in einer Reihe von kleineren Geschäften zum Preis von 0,50 DM bis 1,- DM angeboten wurden.
Die Zeitung befasste sich mit kommunalpolitischen Themen aus ökologischer Sicht. Insbesondere Naturschutz, Müllvermeidung, Verkehrs- und Energiepolitik waren wichtige Themen. Ökologischer Konsum und biologischer Gartenbau kamen bald hinzu. Mitglieder der Redaktion waren ebenfalls in der Friedensbewegung aktiv und verweigerten nicht nur den Kriegsdienst, sondern teilweise auch den der Bundeswehr unterstellten Zivildienst ("Totalverweigerung"). Artikel über Atomwaffen in der Region rund um Hamm und über Theorie und Praxis von gewaltfreien Aktionen im Sinne von Mahatma Gandhi stellten die Möglichkeiten dar, ausserparlamentarisch Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.
Breiten Raum nahmen ebenfalls Artikel über die Gefahren des Thorium Hochtemperatur Reaktors (THTR) in Hamm-Uentrop ein. Über die Gerichtsverfahren gegen seine Inbetriebnahme wurde genauso berichtet, wie über die auch in Hamm praktizierte Stromgeldverweigerung als ziviler Ungehorsam gegen dieses Atomkraftwerk.
Trotz seiner relativ geringen Auflage von etwa 500 Exemplaren beeinflusste und prägte Der Grüne Hammer eine ganze Generation von angehenden und zukünftigen Aktivisten der Umwelt- und Alternativbewegung in Hamm. "Der Grüne Hammer" war eine überparteiliche Zeitung der ökologischen Bewegung; die Partei „Die Grünen“ wurde erst 1980 gegründet.
Zwei Jahre nach der Einstellung der Zeitung wurde "Der Grüne Hammer" von der kommunalen Wählergemeinschaft Grün-Alternative Liste (GAL), einem Zusammenschluss von verschiedenen Bürgerinitiativen und der Partei Die Grünen in Hamm, als Zeitung für den Bezirk Uentrop in einer neuen Folge und Konzeption herausgegeben. Die fünf von 1984 bis 1989 erschienenen Ausgaben hatten eine Auflage von bis zu 8.000 Exemplaren, um nahezu flächendeckend die meisten Haushalte in diesem Bezirk über Ziele und Politik der kommunalen Wählergemeinschaft GAL Uentrop zu informieren. Als Organ der nach 1984 in Rat und Bezirksvertretung Uentrop vertretenen GAL berichtete diese neue Folge der Zeitung einerseits über die kommunalpolische Gremienarbeit, aber auch schwerpunktmässig über den THTR und über die damals viel diskutierte geplante Giftmüllverbrennungsanlage.
Diesen Artikel habe ich im Jahr 2010 für das HammWiki geschrieben.
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