Aus: "Westfälischer Anzeiger" (WA) vom 9. Dezember 2019

Atomtransporte: "Schon in kleinsten Mengen tödlich!"

Mahnwache vor dem Hauptbahnhof Hamm

Herr Blume, Sie werden sich auf dem Bahnhofsvorplatz dafür einsetzen, dass Atommülltransporte verboten werden. Was sind das für Transporte?

Allein in diesem Jahr ist dies bereits der zehnte Transport aus Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage (UAA) vom münsterländischen Gronau nach Russland. Dabei werden voraussichtlich 600 Tonnen radioaktives und hochgiftiges Uranhexafluorid (UF-6) per Zug von Gronau über Hamm, dann quer durchs Ruhrgebiet verfrachtet, in Amsterdam verschifft, über die Ostsee nach St. Petersburg und von dort aus zur endgültigen Lagerstätte unter freiem Himmel nach Novouralsk in Russland gebracht. Dieser Transport dauert etwa rund drei Wochen.Hamm: Mahnwache gegen Atommülltransporte 9. 12. 2019. Foto: Horst Blume

Das ist eine lange Strecke – durch Deutschlands bevölkerungsreichste Gegend, dem Ruhrgebiet. Gibt es keine kürzere Strecke?

Nein, von Gronau nach Amsterdam gibt es keine geeignetere kürzere Bahnverbindung für diesen Zweck. In Hamm wird der Zug während eines mehrstündigen Aufenthalts auf dem Verschiebebahnhof umgekoppelt und nimmt dann eine nördliche oder südliche Route durchs Ruhrgebiet nach Amsterdam.

Was ist denn dieses Uranhexafluorid und was macht es so gefährlich?

Vereinfacht gesagt: Uranhexafluorid ist eine sehr reaktive und extrem giftige chemische Verbindung, die bei Freisetzung in Verbindung mit Luft zu Uranylfluorid und Fluorid und Fluorwasserstoff wird, sich in Gas verwandelt und sich wie Nebel ausbreitet. Atmet man aus dieser Schadstoffwolke ein, hat man oft nicht einmal mehr Zeit, sein Testament zu machen. Der Fluorwasserstoff wird zu aggressiver und höchst giftiger Flusssäure. Sie riecht stechend und ist stark ätzend. Flusssäure ist aggressiver als Schwefel, Salpeter- oder Salzsäure und sie ist schon in kleinsten Mengen tödlich.Hamm: Mahnwache gegen Atommülltransporte 9. 12. 2019.

Wie hoch ist denn das Risiko, dass beim Transport etwas passiert?

In der Nacht zum 6. November 2007 sprangen bei Rangierarbeiten im Verschiebebahnhof Hamm einige Waggons aus den Schienen. Damals wurden unter anderem Kabel durchtrennt, Stromkästen umgefahren, eine Weiche, das Schienenbett und auch die Oberleitung beschädigt. Kurz zuvor hatten an der gleichen Stelle noch die Atommülltransportbehälter gestanden. Nicht auszudenken, was dabei alles hätte passieren können!

Aus dem Vorspann:

Ab 14 Uhr findet heute vor dem Hauptbahnhof Hamm eine weitere Mahnwache gegen Atommülltransporte und gegen neue Atomreaktoren der Firma Urenco statt. Warum die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm diese Transporte und Urenco für so gefährlich hält, darüber sprach WA-Mitarbeiterin Sabine Begett mit dem Sprecher der Bürgerinitiative, Horst Blume.

Anmerkung

Weitere Infos zum Thema Atommülltransporte durch Hamm:

http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=292:uranhexafluorid-transporte-durch-hamm&catid=21:lokales-aus-hamm

Leserbrief:

http://www.machtvonunten.de/leserbriefe.html?view=article&id=250:typisch-hamm-verantwortung-abwaelzen-auskunft-verweigern&catid=24:leserbriefe

Münster: Demo gegen Atommülltransporte 2. 3. 2020. Foto: Horst BlumeInfos zu den von Urenco geplanten Mini-Reaktoren (Small Modular Reactors – SMR):

http://www.machtvonunten.de/atomkraft-und-oekologie.html?view=article&id=176:kleine-urenco-reaktoren-small-is-not-beautiful&catid=20:atomkraft-und-oekologie

 

 

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Aus: "ökologisch", Nr. 1, 2000

THTR: Erhaltungsbetrieb mit Hindernissen?

Still ist es geworden um den stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR). Nachdem die eine Hälfte des radioaktiven Inventars nach Ahaus in das Brennelemente-Zwischenlager (BEZ) gebracht wurde, befindet sich der in Hamm verbliebene Rest für 30 Jahre in einem sogenannten Erhaltungsbetrieb. Hierfür erteilte 1997 die NRW-Landesregierung eine 52 Seiten umfassende Genehmigung.

Plakate der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm im Schaufenster des FuGe-Ladens in HammDoch schon nach einem Jahr beantragte die Betreiberin Hochtemperatur-Kernkraftwerk (HKG) Änderungen, die teilweise organisatorischer Art sind. Hierzu hat 1998 die Stadtverwaltung Hamm eine Mitteilungsvorlage erstellt und erklärt, hiergegen keine Bedenken zu haben. Eineinhalb Jahre später schreibt das zuständige NRW-Ministerium auf Anfrage der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm, dass die Prüfungen noch nicht abgeschlossen seien, weil noch keine "entscheidungsreifen Unterlagen" vorlägen.

Hat die Stadtverwaltung Hamm vorschnell und ohne Kenntnis der gesamten Unterlagen geurteilt und möglicherweise auf wichtige Bedenken verzichtet? Oder hat die HKG Probleme beim Erhaltungsbetrieb des Reaktors und muss bei den beantragten Ergänzungen andauernd nachbessern? Muss ein völlig neues Genehmigungsverfahren – auch unter Beteiligung der Stadt Hamm - stattfinden?

Um diese Fragen zu klären, hat die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine entsprechende Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt. Die Bürgerinitiative hat gleichzeitig die HKG um Aufklärung in diesem Fall gebeten.

Castoren rosten!

Castor ...Die kleine Anfrage des günen Landtagsabgeordneten Rüdiger Sagel brachte es an den Tag: Bereits vier Jahre nach dem letzten Transport der THTR-Brennelemente von Hamm nach Ahaus rosten die Castoren. Die Korrosionsschutzbeschichtung der Behälter weist an scharfen Kanten nur eine geringe Schichtdicke auf und ist dort besonders anfällig für Beschädigungen. In Einzelbereichen ist sogar ganz auf eine Beschichtung verzichtet worden.

Wegen des geringen Füllungsgrades der Halle in Ahaus reiche die von den THTR-Castor-Behältern ausgehende Wärme nicht aus, die Behälter trocken zu halten, teilte die Landesregierung mit. Jetzt würden die zu großen Lüftungsöffnungen in der Halle geschlossen und ein Feuchtigkeitsmessprogramm eingerichtet. Alle Schutzplatten der 305 Behälter müssen nun innerhalb der nächsten drei Jahre entfernt, an einen Ort außerhalb des Zwischenlagers gebracht, dort durch Sandstrahl von den Rostschäden befreit und neu lackiert werden. Während dieser Zeit sind die Castoren 1 bis 2 Wochen vom Überwachungssystem für die Behälterdichtigkeit abgekoppelt, sodass Undichtigkeiten nicht festgestellt werden können.

Es ist alarmierend, dass Behälter, die immerhin mindestens 40 Jahre halten sollen, bereits nach vier Jahren gegen so biedere Kräfte wie Rost und Korrosion verwundbar sind. Es ist unverantwortlich, dass für alle 19 Atomkraftwerke in Deutschland Stellplätze in Ahaus reserviert wurden. Im Münsterland bereitet sich die Bevölkerung auf ihre Weise auf die kommenden Transporte vor.

Anmerkung

"ökologisch – 'Grünes Info' für aufgeweckte Leute" wurde von Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Hamm in einer Auflage von 5.000 Exemlaren herausgegeben.Zeitung "ökologisch" Nr.1, 2000

 

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Aus: "Der grüne Hammer" (Neue Folge, Hg. GAL Uentrop), Nr. 1, 1984

Wem nützt die Landesgartenschau?

"Freu dich auf die Landesgartenschau" – mit diesem Werbespruch wollen die etablierten Parteien und die Verwaltung uns Bürger das 40 Millionenprojekt schmackhaft machen. Ob wir tatsächlich etwas zu lachen haben werden, ist aber noch die große Frage. Die zahlreichen neu- und ausgebauten Straßen und viele Tausend neugeschaffenen Parkplätze in der Umgebung der Landesgartenschau haben wohl mehr Natur plattgewalzt, als die Schau jemals wieder gutmachen könnte.

Der Grüne Hammer, Nr. 1, 1984Diese sterilen Betonpisten sollen für die unmittelbaren Anlieger den vielgepriesenen neuen Wohnwert darstellen, auf den die etablierten Politiker so stolz sind? Da es sich bei der Landesgartenschau um eine künstliche Grünzentrale handelt, wird ein Großteil der 600.000 erwarteten Besucher mit Autos von weither anreisen, was zu zusätzlichen Lärm- und Abgasbelästigungen in der Umgebung führen wird.

Das mit großem Aufwand auf einer einzigen Stelle konzentrierte Schaugrün der Landesgartenschau saugt die ohnehin geringen zur Verfügung stehenden Mittel des Haushalts der Stadt auf, sodass Verbesserungen im unmittelbaren Wohnbereich mal wieder auf unbetimmte Zeit verschoben werden müssen. Für flächendeckende Stadtdurchgrünung oder verkehrsberuhigte Straßen ist deswegen kein Geld mehr da.

Von einer "Revitalisierung einer Industriebrache" ist in den protzig aufgemachten Glanzpapierprospekten die Rede. Bevor Bagger und Bulldozer das Gartenschaugelände nach dem Willen der Planer zurechtmanipuliert haben, war die ursprüngliche Naturlandschaft viel vitaler. Dass die Natur sich selbst in Ordnung bringt, wenn man ihr nur die Chance dazu lässt, scheint den Verantwortlichen der Stadt unbekannt zu sein. Stattdessen werden jetzt künstliche Wasserspiele, monotone Beete, Blumenteppiche und Strauch- und Staudenkulissen das Bild beherrschen. Selbst die Fachzeitschrift "Deutscher Gartenbau" Nr. 44 (1983) meldete Kritik an: "Man mag hier darüber streiten, ob der Sturzbach, der sich in diesem Bereich ergießen wird, unbedingt hätte sein müssen. So landschaftsgerecht scheint er nicht zu sein."

Aus: Der Grüne Hammer, Nr. 1, 1984Aber letztendlich berührt diese Überplanung des Grüns die gärtnerischen Berufsverbände recht wenig, denn ihnen geht es in erster Linie um die verkaufsförderde Präsentation ihrer Produkte. Aber es gibt noch viele Andere, die an dem Naturrummel mitverdienen wollen. Der Durchführungshaushalt für die Landesgartenschau beträgt acht Millionen DM. Aus ihm heraus fließen Gelder für Hallenschauen, Veranstaltungen, Verkehrsleitsysteme, Bewachung und Werbung.

Durch Eintrittsgelder werden drei Millionen DM aufgebracht, den Rest hat die Bevölkerung durch Steuern zu zahlen. Das angegliederte Veranstaltungsgebäude für 1200 Personen und die skandalumwitterte benachbarte Eissporthalle zeigen ebenfalls, das es sich bei der Landesgartenschau in erster Linie um eine von Geschäftssinn geprägte Unternehmung handelt und nicht um ein selbstloses Bemühen der Politiker, die Natur zu schützen.

Noch vor wenigen Jahren haben die von der Landesgartenschau betroffenen SPD-Ortsvereine Werries und Ostwennemar dieses Projekt abgelehnt. Heute beteuern sie in ihrer Stadtteilzeitung "Kurhaus, Kühlturm, Kolonie": "Wir freuen uns auf die Landesgartenschau". Und die Bürger von Hamm sollen sich nach dem Wunsch der Politiker gefälligst ebenfalls freuen. Denn am 30. September ist die Kommunalwahl und da hoffen sie auf fette Prozente. Die Landesgartenschau kommt genau richtig, um den Politikern die unvermeidliche Gelegenheit zu geben, sich dem Wahlvolk als die Einzigen zu präsentieren, die diesen groben Unfug erst möglich gemacht haben. Dafür sollten sie die Quittung bekommen.

Nachwort

Der Maxipark in Hamm stellt heute sicherlich für viele Menschen einen beliebten Veranstaltungsort und eine beliebte Erholungsmöglichkeit dar. Ob sie bei dem vielen Trubel allerdings immer eine nachhaltige Erholung bringt, sei einmal dahingestellt. Von daher ist meine damalige ziemlich verbalradikale Kritik sicherlich in einigen Punkten überholt. Sie war ohnehin teilweise dem Kommunalwahlkampf im Jahre 1984 geschuldet.

Aber einige angesprochene Probleme bestehen heute mehr denn je, wenn ich mir den WA-Artikel vom 8. Mai 2018 ansehe: "Das gute Wetter am Sonntag lockte wieder viele Besucher in den Maxipark. Dass gleichzeitig auch noch die Veranstaltung 'Musik im Park' stattfand, führte zu einem Parkchaos am und um den Maxipark." Maxipark-Geschäftsführer Jörg Rogalla betonte: "Mit den Parkplätzen an der Westpressarena und dem Einkaufszentrum haben wir geschätzt rund 1350 bis 1400 Parkplätze. Ich würde schon sagen, dass wir mehr bräuchten." – So ganz falsch habe ich also mit einigen Kritikpunkten wohl doch nicht gelegen. Und wie wird es erst werden, wenn tatsächlich die Bundesgartenschau hierhin kommen würde??

"Der Grüne Hammer" Nr. 1 erschien in neuer Folge als Zeitung der Grün-Alternativen Liste (GAL) für Hamm-Osten, Werries, Ostwennemar und Uentrop in einer Auflage von 4.000 Exemplaren.

 

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Aus: Originalbeitrag und Flugblatt der Grün-Alternativen Liste Hamm-Uentrop, September 1989.

Zur Moritz-Bacharach-Straße

In der Nähe des Geländes der Landesgartenschau wollte die Hammer Stadtverwaltung im Jahr 1984 über ein Dutzend neue Straßen ziemlich einfallslos nach süddeutschen Städtenamen benennen. Ich war damals frisch gewählter Bezirksvertreter der kommunalen Wählergemeinschaft Grün-Alternative Liste in der Bezirksvertretung Hamm-Uentrop und beantragte daraufhin, stattdessen lieber die Namen von bekannten antifaschistischen Schriftstellern, Gewerkschaftlern, linken Abgeordneten und eben den ersten jüdischen Ratsherrn in Hamm, Moritz Bacharach, zu verwenden.Schild: Moritz Bacharach Straße

Die CDU favorisierte in einem eigenen Antrag ortstypische Namen. Spätestens jetzt muss ich etwas zur speziellen kommunalpolitischen Situation in Hamm-Uentrop sagen. SPD und CDU stellten jeweils neun Bezirksvertreter. Mit meiner entscheidenden Stimme hatte ich kurz zuvor den Bezirksvorsteher der SPD mitgewählt und erwartete nach den zuvor stattgefundenen Gesprächen von der SPD eine gewisse Aufgeschlossenheit insbesondere bei umwelt- und atompolitischen Themen, die mir sehr wichtig waren. Die angeblich in Uentrop besonders "linke" SPD dachte aber nicht im Traum daran, einem besonders lästigen parteipolitischen Konkurrenten irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Auch das hatte seine Gründe.

Mit siebzehn Jahren (hat man noch Träume ...) war ich drei Jahre lang Mitglied der SPD und wurde danach als "Dissident" von dieser Partei besonders mißtrauisch beäugt. Zudem war ich, wie ein Teil der SPD-Bezirksvertreter auch, immer noch Mitglied der Naturfreunde. Und ich stellte (mit Unterstützung vieler engagierter GAL-Mitglieder in Uentrop!) während der Anfangszeit der Legislaturperiode zum Entsetzen der SPD mehr Anfragen und Anträge als alle anderen Bezirksvertreter in ganz Hamm zusammen und war deswegen in den Medien ziemlich präsent. - Die SPD lehnte meinen Antrag ab und regte sich besonders über den von mir vorgeschlagenen anarchistischen Schriftsteller Erich Mühsam auf, der der SPD bereits im Jahre 1907 mit dem Gedicht "Der Revoluzzer" (1) ein sehr bekanntes Spottgedicht gewidmet hatte.

Womit die SPD nun gar nicht gerechnet hatte, dass der CDU-Bezirksvertreter und Ortsheimatpfleger Heinrich Thomas sich während der Bezirksvertretungssitzung ausdrücklich dafür aussprach, zumindest meinem Vorschlag für eine Moritz-Bacharach-Straße zuzustimmen. Dagegen könne doch auch die SPD nicht ernsthaft etwas haben, oder? – Wohl oder übel musste nach einigem Hin und Her die SPD einer Kompromisslösung mit unterschiedlichsten Straßennamen und damit auch einer Moritz-Bacharach-Straße zustimmen, um nicht völlig im Abseits zu stehen.

Grabmal von Moritz Bacharach auf dem Jüdischen Friedhof in HammAls im Jahre 1989 die Straße fertig gebaut und das Straßenschild aufgestellt war, fragte ich die Stadtverwaltung und Bezirksvertretung, ob man bei einem so wichtigen Thema nicht ein erklärendes Zusatzschild hinzufügen könnte. Sie lehnten bedauerlicherweise ab.

Da die Legislaturperiode zu Ende ging und ich aus guten Gründen der Parteipolitik Ade sagen und mich wieder ganz der APO widmen wollte, musste ich schnell handeln und lies in Absprache mit den anderen GALiern ein Zusatzschild "1833 – 1903 Erster jüdischer Ratsherr in Hamm" auf GAL-Kosten anfertigen. Als letzte "Amtshandlung" haben wir dann am 31. August 1989 das Zusatzschild im Rahmen einer kleinen Feierstunde selbst angebracht (siehe WA-Bericht unten) und entsprechende Flugblätter verteilt (siehe unten). Leider wurde das Schild – vermutlich von den damals verstärkt aufkommenden Rechten - wieder abgeschlagen. Ein Naturfreunde-Genosse aus Werries nahm es wieder an sich und wir hängten es erneut auf. Es wurde nach kurzer Zeit wieder abgeschlagen und war nicht mehr auffindbar. So blieb es bis heute.

Ich möchte noch erwähnen, dass es für mich noch einen persönlichen Grund gab und gibt, warum ich mich besonders für diesen Straßennamen engagierte. Eine Tante von meiner Mutter war zu Lebzeiten von Moritz Bacharach jahrelang bei ihm als Haushaltshilfe angestellt. Darauf sind wir bei uns in der Familie öfters zu sprechen gekommen. – Heute freue ich mich, wenn ich dem Namen dieser an sich kleinen Straße trotzdem recht oft zu verschiedenen Anlässen begegne. Nein, nein, ich meine nicht in erster Linie die Anwaltskanzlei, die dort residiert. Es ist vielmehr die ALDI-Filiale, die mit Prospekten und Inseraten unaufhörlich die Massen an den ersten jüdischen Ratsherren Moritz Bacharach erinnert! - Ein Zusatzschild wäre aber trotzdem nicht schlecht ...

(Originalbeitrag vom Januar 2018)

Anmerkung:

(1) http://www.machtvonunten.de/literatur-und-politik.html?view=article&id=101:erich-muehsam-sich-fuegen-heisst-luegen&catid=13:literatur-und-politik

 

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Flugblatt der GAL-Uentrop vom September 1989:

Warum gibt es die Moritz-Bacharach-Straße?

Flugblatt der GAL-Uentrop 1989 zur Moritz-Bacharach-StraßeAuf Antrag der GAL-Uentrop im Jahre 1985 wurde diese Straße nach dem ersten jüdischen Ratsherrn in Hamm benannt. Dieser Straßenname soll eine Erinnerung an die Opfer der faschistischen Barbarei sein. Nie wieder dürfen bestimmte Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke für wirtschaftliche Schwierigkeiten abgestempelt werden. Die Erfolge rechtsradikaler Gruppen und die bedenkliche Rechtsentwicklung der CDU zeigen, daß es in diesem Land noch viele Menschen gibt, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben.

Warum befestigt die GAL-Uentrop auf eigene Kosten das Zusatzschild "1833 – 1903 Erster jüdischer Ratsherr in Hamm"?

Weil die Stadtverwaltung und die Bezirksvertretung Uentrop hierfür kein Geld ausgeben wollte. Wir meinen, daß ein erklärender Hinweis an diesem Straßenschild notwendig ist.

Wer war Moritz Bacharach?

Er war Kaufmann, wurde 1870 Stadtverordneter und 1893 Mitglied im Magistrat. Bereits 1859 war er Mitbegründer des ersten Hammer Turnvereins. 1886 wurde er Gründungsmitglied des Museumsvereins. Er rief eine Stiftung für arme Wöchnerinnen ins Leben und verschenkte seine Villa der Stadt Hamm. Diese nutzte sie als Oberbürgermeisterdienstwohnung. Später machten die Faschisten ein Büro der Hitlerjugend daraus.

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Artikel in "Westfälischer Anzeiger" (WA) vom 1. 9. 1989:

GAL brachte Zusatzschild an der Moritz-Bacharach-Straße an

Erster jüdischer Ratsherr in Hamm / 1903 gestorben

Letzte Amtshandlung von Horst Blume als GAL-Bezirksvertreter in Uentrop: Der Politiker brachte gestern an der Moritz-Bacharach-Straße ein Zusatzschild an. "1833 – 1903; Erster jüdischer Ratsherr in Hamm" ist darauf zu lesen. "Wir sind der Ansicht, daß ein erklärender Hinweis an diesem Straßenschild notwendig ist" erläuterte Blume die Aktion. Viele Bürger wüßten nicht, wer Moritz Bacharach war. Und da die Verwaltung kein Geld für derartige Zusatzschilder ausgeben wollte, habe die GAL es auf eigene Kosten angebracht.

Blume: "Es sei sinnvoller orts- und heimatbezogene Namen zu wählen, als irgendwelche Städtenamen. Außerdem solle das Straßenschild als Erinnerung an die Opfer der faschistischen Barbarei dienen. Nie wieder dürften bestimmte Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke für wirtschaftliche Schwierigkeiten abgestempelt werden".

Wolfgang Komo hat sich näher mit Moritz Bacharach befaßt: Der jüdische Kaufmann wurde 1870 Stadtverordneter (Ratsherr). 1893 wurde er Mitglied im Magistrat (Dezernent). Bacharach, 1859 Mitbegründer des ersten Hammer Turnvereins, wurde 1886 Gründungsmitglied des Museumsvereins. Zudem rief er eine Stiftung für arme Wöchnerinnen ins Leben. 1900 schenkte er der Stadt seine Villa (neben dem Waldorfkindergarten). Die Stadt nutzte sie als Oberbürgermeisterdienstwohnung. Später machten die Faschisten ein Büro der Hitlerjugend daraus.

Text zum Bild:

Die GAL brachte gestern an der Moritz-Bacharach-Straße ein Zusatzschild an, das auf den ersten jüdischen Ratsherren in Hamm hinweist. "Wenn schon die Villa des jüdischen Kaufmanns im Jahre 1980 abgerissen wurde, so soll wenigstens ein Straßenschild an ihn erinnern", erläuterte Bezirksvertreter Horst Blume.

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Aus der Begründung des Antrages der GAL-Uentrop vom 14. November 1984:

Antrag zur Beschlußvorlage der Verwaltung Nr. 105; hier: Benennung der projektierten bzw. Umbenennung von vorhandenen Straßen innerhalb der Bebauungspläne Nr. 02.060 und Nr. 02.071.

Begründung: Mit dem Vorschlag, diese Straßen nach süddeutschen Städten zu benennen, hat es sich die Verwaltung zu einfach gemacht. Eine bloße Aneinanderreihung von so vielen Städtenamen ist inhaltsleer und nicht geeignet, die mit einer Namensgebung zweifelsohne ebenfalls bezweckten Rückbesinnung auf demokratische Traditionen und Personen gerecht zu werden.

In Anlehnung an die vorgeschlagenen Straßen mit Schriftstellernamen und an die süddeutschen Städtenamen halten wir die oben genannten Vorschläge für sinnvoller.Werbung mit Anschrift Moritz-Bacharach-Straße

 

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Aus dem Buch: "Ahaus – das Buch zum Castor" Verlag Klemm & Ölschläger, 1999

Castortransporte von Hamm nach Ahaus

Zwei Bürgerinitiativen wehren sich gegen Atomkraft

Seit dem Castortransport im März 1998 ins Brennelemente-Zwischenlager Ahaus kennt fast jeder Interessierte dieses Städtchen im Münsterland. Der Widerstand war beachtlich, das Medienecho auch. Doch was die wenigsten wissen: Der Transport im Frühjahr 1998 war der bereits 59. Castor-Transport nach Ahaus. Warum wurden die 58 vorangegangenen Transporte kaum beachtet?

Ahaus - HammDiese Transporte kamen aus dem Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop. 1971 wurde mit dem Bau des Atomkraftwerkes begonnen, 1976 sollte es betriebsbereit sein. Das erwies sich als Illusion. Die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) als Betreiber hatten die Probleme beim Bau unterschätzt.

1975 bildeten sich kleine Gruppen von Atomkraftwerksgegnern im Raum Hamm. Angesprochen und zusammengeführt wurden sie von einer gewaltfreien Aktionsgruppe aus Arnsberg/Neheim-Hüsten, die sich inhaltlich an der gewaltfrei-anarchistischen Zeitschrift "Graswurzelrevolution" orientierte. Erste Akteure des einheimischen Widerstandes kamen hauptsächlich aus der Westfälisch-Lippischen Landjugend und der Deutschen Friedensgesellschaft/Internationale der Kriegsgegner (DFG/IDK). Der Protest richtete sich vorläufig noch nicht gegen den Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, sondern gegen das zweite geplante Atomkraftwerk in Hamm vom Typ Druckwasserreaktor.

Im Vordergrund standen zur damaligen Zeit sehr stark Informationsprobleme. Es gab nur wenige Flugblätter aus dem geplanten süddeutschen Atomstandort Wyhl, ein oder zwei Bücher erschienen irgendwann zum Thema.

Da die Zeit drängte und der Erörterungstermin für den geplanten Druckwasserreaktor nahte, gründeten etwa 60 Menschen im Februar 1976 die "Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm", die heute noch besteht.

 

Ahaus HammWiderspruch formulieren und artikulieren, Flugblätter schreiben und verteilen, mit einem Skelett durch die Fußgängerzone laufen, das überregional organisierte Zeltlager unterstützen, den Platz am geplanten Informationszentrum der VEW besetzen - für all das gab es keine lange Vorbereitungszeit. Nach drei Jahren wurde deutlich: Der Druckwasserreaktor wird nicht gebaut und der THTR Hamm so schnell nicht fertig. Bisher hatte niemand zu hoffen gewagt, daß man gegen ein bereits im Bau befindliches Atomkraftwerk noch etwas ausrichten könnte. Doch der Kampf gegen die Inbetriebnahme des THTR sollte alle zukünftigen Aktivitäten bestimmen. Er wurde der neue Arbeitsschwerpunkt der Bürgerinitiative.

Gemeinsamkeiten zwischen Ahaus und Hamm

Umfangreiche, länger als ein Jahrzehnt dauernde Aktivitäten auf juristischer Ebene erzielten neue Erkenntnisse und konnten durch den Einfluß der Medienöffentlichkeit einen kurzen Baustopp bewirken. Die Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach nahm nicht nur die Interessen der Hammer, sondern auch der Ahauser Kläger wahr. Die Bürgerinitiative in Hamm führte zahlreiche Veranstaltungen durch, mobilisierte mit aller Kraft für Demonstrationen, propagierte die Stromgeldverweigerung als "zivilen Ungehorsam", um neue Wege im Widerstand zu gehen. Doch das Echo in der Bevölkerung blieb über einen langen Zeitraum zurückhaltend.

 

Ahaus HammDer Großteil der örtlichen Bevölkerung zeigte relativ wenig Interesse an politischen Fragen und war politischen Aktivitäten gegenüber sehr passiv eingestellt. In Hamm-Uentrop wie in Ahaus lebten Umweltschützerlnnen in einer ländlichen, konservativ eingestellten Umgebung. Die in Hamm direkt benachbarte Industriearbeiterschaft war technikgläubig und den Ansichten der Bürgerinitiative mindestens ebenso unaufgeschlossen, wie die Bauern die in Hamm-Uentrop ihr Land den VEW gewinnbringend verkauft hatten. In Ahaus wurden mit der Zustimmung zum Brennelemente-Zwischenlager ebenfalls finanzielle Zuwendungen verknüpft - auch das ist eine Parallele.

Beide Bürgeritiativen an den zwei verschiedenen Standorten versuchten über zwei Jahrzehnte hinweg durch eine aufeinander abgestimmte Kombination von Öffentlichkeitsarbeit, juristischem Widerstand und gewaltfreien, direkten Aktionen den Betrieb der jeweiligen atomaren Anlage zu verhindern. In "Hochzeiten" des Widerstandes bestanden oft erhebliche Schwierigkeiten, diese Linie auch durchzuhalten.

1998 wurde das gewaltfreie "X-tausendmal quer"-Konzept in Ahaus von auswärtigen Gruppen massiv kritisiert. In Hamm hatten bereits 1977/78 maoistische Gruppen der Bürgerinitiative Zaunkämpfe wie in Brokdorf, in autoritärer Form als wichtiges Kampfmittel aufzuzwingen versucht. Daß sie durch ihr polarisierendes Auftreten die Existenz der heterogen zusammengesetzten Bürgeritiative aufs Spiel setzten, interessierten diese Gruppen nicht. 1986 war die Situation nach einem Störfall im THTR Hamm, der zeitgleich mit der Katastrophe in Tschernobyl geschah, ähnlich. Bei den Blockaden der Eingangstore zum Reaktor kam es zu heftigsten Disputen zwischen den "Bauern und Verbrauchern" aus der näheren Umgebung und dem "autonomen" Spektrum unter den Demonstranten, denen die Protestaktionen offenbar nicht militant genug waren.

 

Ahaus HammDie Fertigstellung des THTR Hamm verzögerte sich um gut 10 Jahre. Wenn nicht ein außergewöhnlicher Sinneswandel bei der NRW-Landesregierung als Genehmigungsbehörde oder besondere Ereignisse die Inbetriebnahme verhindern würden, müßte sich unzweifelhaft die drängende Frage stellen: Wohin mit dem Atommüll, den der THTR produzieren wird? Nahm die Hammer Bevölkerung dieses Problem überhaupt wahr?

Von der Gründung der Bürgerinitiative bis zu den Inbetriebnahmeversuchen Mitte der 80er Jahre war die Initiative mit den typischen Problemen eines Atomkraftwerk-Standortes befaßt. Der einheimischen Bevölkerung mußte verdeutlicht werden, wie gefährlich dieser spezielle Reaktortyp wirklich war und dieses Wissen mußte auch der überregionalen Umweltbewegung vermittelt werden. Die Standorte Brokdorf und Gorleben dominierten über lange Zeit die atomkritische Debatte dermaßen, daß aus den Nachbarstädten von Hamm Umweltschützern mit unzähligen Bussen hunderte von Kilometern zu den vermeintlichen Kristallisationspunkten des Widerstandes fuhren - nur nicht zum THTR in Hamm! Das Gefühl, auch innerhalb einer breiten Bewegung oftmals alleingelassen zu werden, hatten über längere Zeiträume etliche Atomkraftgegnerlnnen in Hamm und Ahaus gemeinsam.

 

 

Ahaus HammAhaus: Nur ein Problem von vielen?

Nachdem die unterirdische Lagerung von Atommüll in dem Bergwerk Asse als Folge gerichtlicher Einsprüche blockiert wurde, gab es 198l Überlegungen, daß die THTR-Brennelementekugeln zusammen mit denjenigen des kleineren Versuchsreaktors (HTR Jülich) in der Nähe von Jülich zwischengelagert werden sollten. Auch der Name Ahaus tauchte nun zunehmend in der Berichterstattung auf. Doch die Mitglieder der Bürgerinitiative sahen sich angesichts des mittelmäßigen Zuspruchs aus der Hammer Bevölkerung erst einmal vor das Problem gestellt, in ihrer Heimatstadt für eine größere Sensibilität gegenüber dem geplanten Druckwasserreaktor und später dem THTR zu sorgen.

Erst anläßlich des Aufrufs für die erste Großdemonstration im September 1983 gegen den THTR Hamm wurde die Situation von der Hammer Bürgerinitiative bedeutend klarer erfaßt und dargestellt: " (...) Ihr Festhalten an den Hochtemperaturreaktoren hat die NRW-Landesregierung sogar in Zugzwang gebracht, das Zwischenlager für Atommüll in Ahaus, das sie noch 1977 abgelehnt hatte, nun doch genehmigen zu müssen. Die anderen Bundesländer haben sich nämlich geweigert, HTR-Brennelemente aus NRW anzunehmen (...)." Am 17. September 1983 folgten 3.000 Menschen dem Demonstrationsaufruf.

 

Ahaus HammFriedens- und Hausbesetzerlnnenbewegung erzielten aufgrund aktueller Ereignisse zu diesem Zeitpunkt bedeutend mehr Aufmerksamkeit als die Umweltschutzbewegung, so daß nach einem hohen Mobilisierungsaufwand und halbjähriger Vorbereitungszeit selbst diese verhältnismäßig bescheidene Anzahl von Demonstranten wie ein großer Erfolg erschien. Festzuhalten bleibt zu diesem Zeitpunkt aber immer noch, daß das geplante Zwischenlager in Ahaus bei der Bürgerinitiative in Hamm nur ein Argumentationsgegenstand von vielen anderen war.

Kohle und geplante Zechenstillegungen, die HTR-Linie als deutscher Exportschlager, Gefahren der Atomwaffenproduktion und vor allem der Beginn der bevorstehenden Probeläufe des THTR Hamm dominierten als Themen die öffentliche Argumentation und interne Strategieüberlegungen eindeutig. Die dramatische Situation im Jahre 1986 und das sich anschließende dreijährige An- und Abschaltewechselspiel forderte die BI Hamm immer wieder zu neuen Aktionen heraus, in denen die Lage vor Ort oberste Priorität hatte. Eine möglichst frühzeitige Aufgabe der Inbetriebnahmeversuche beim THTR hätte auch die Probleme in Ahaus reduziert.

Noch bevor 1989 der Reaktor nach nur 423 Vollasttagen endgültig stillgelegt wurde, sorgten Meldungen über den geplanten Bau einer sogenannten Transportbereitstellungshalle (TBH) für schwach radioaktive Abfälle für Irritationen. Eine solche "Halle" direkt neben dem THTR würde Platz schaffen für hochradioaktive Abfälle im kraftwerksinternen Lager des THTR Hamm, schließlich wurde erst im Februar 1988 der Baustop für das halbfertige Zwischenlager in Ahaus aufgehoben. Insbesondere für den sozialdemokratischen Teil der Umweltschützer wurde es plötzlich sehr wichtig, daß der THTR-Müll nicht etwa in Hamm-Uentrop verbleibt, sondern möglichst weit forttransportiert wird.

 

Ahaus HammHamm: Verdrängung und Desinteresse

Kaum daß der THTR in Hamm endgültig stillgelegt wurde, ließ das Interesse vieler bisher interessierter und engagierter Menschen an dem weiteren Gang der Dinge merklich nach. lm THTR-Rundbrief Nr. 33 (1991) stand über die sich abzeichnende Tendenz vieler Menschen, sich aus den Hammer Anti-AKW-Arbeitszusammenhängen zu verabschieden:

"Die endgültige Stillegung des THTR reduziert das atomare Bedrohungspotential in der Umgebung von Hamm. Dafür werden andere Menschen in der Region Ahaus mit der baldigen Genehmigung des Atommüllzwischenlagers konfrontiert. Nach der am wenigsten schädlichen Lösungsmöglichkeit für die Stillegung des THTR ist bisher weder von der Landesregierung noch von den Betreibern in ausreichendem Maße gesucht worden. Wer sich in der Vergangenheit engagiert für die Stillegung des THTR eingesetzt hat, für den kann es keinen triftigen Grund geben, bei einem nicht minder gefährlichen Projekt abseits zu stehen. Wir hoffen, daß die für den 16. März geplante Kundgebung und Menschenkette in Ahaus ein voller Erfolg wird."

Unter den 500 TeilnehmerInnen befanden sich ganze drei Personen aus Hamm.

Aber die unangenehme Erinnerung an das, was einmal war, versuchte auch die Betreiberseite auszulöschen. Am 21. August 1991 wurde der weithin sichtbare THTR-Kühlturm gesprengt. Das "Wahrzeichen" von Hamm wurde dem Erdboden gleichgemacht.

Die Transporte beginnen

Während Gruppen aus Dortmund und Bochum zu Beginn des Jahres 1992 Informationsblätter zum geplanten Atommülltransport von Hamm nach Ahaus verteilten und einen Aktionstag hierzu veranstalteten, war die Hammer Bürgerinitiative noch mit der inhaltlichen Aufarbeitung der ungeklärten Sicherheitsprobleme bei der Stillegung des THTR in Hamm beschäftigt. Mitte März 1992 wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz die Einlagerung von THTR-Atommüll im Ahauser Brennelemente-Zwischenlager genehmigt. Bezeichnenderweise wechselte der THTR-Sicherheitsverantwortliche Ivar Kalinowski, der bereits 1986 maßgeblich an der Verharmlosung der Störfälle in Hamm beteiligt war, sieben Monate vorher in eben jenes Bundesamt für Strahlenschutz, das die Atommülleinlagerung so großzügig genehmigte.

Ahaus HammNach tagelangen öffentlichen Spekulationen fand der erste Transport aus drei Castorbehältern mit 6.300 Brennelementekugeln am 25. Juni 1992 statt. Der bisher geheimgehaltene Transportzug wurde von einem massiven Polizeiaufgebot und einem Hubschrauber in der Luft begleitet. Während der Zug die ca. 150 Kilometer lange Strecke ohne Probleme bewältigte, kam es in Ahaus zu einer friedlichen Schienenblockade durch 50 DemonstrantInnen.

In dieser Zeit schlugen Anti-AKW-Gruppen aus benachbarten Städten vor, die Gleise am THTR-Ausgangspunkt zu beobachten, um die Abfahrt der Castorzüge zu melden. Damit hätten Blockadeaktionen ermöglicht werden können. Die entlang der Bahnstrecke in Hamm verteilten Flugblätter wurden von insgesamt zehn Gruppen unterzeichnet, aber nur zwei Personen erklärten sich bereit einen ganzen oder halben Tag am THTR als "Beobachter" auszuharren. Schon nach einem kurzen Zeitraum wurde deutlich, daß diese Aufgabe nicht geleistet werden konnte. Die wenigen Leute der Bl Hamm führten noch einen Infostand durch und riefen zur Protestkundgebung nach Ahaus auf. Der zweite Atomtransport erfolgte am 15. Juli 1992 und erreichte Ahaus ohne Komplikationen.

Die Hammer SPD sprach sich im August 1992 für den Abtransport der Brennelemente nach Ahaus aus: "Ein stillgelegter Reaktor ist sicherer als ein im Betrieb befindlicher, und ein von Brennelementen entladener Reaktor ist sicherer als ein mit Brennelementen gefüllter". (Westfälischer Anzeiger vom 17. 8. 1992).

Während die Hammer Stadtverwaltung sich äußerst passiv und desinteressiert an der Problematik der Atommülltransporte zeigte, beantragten die Hammer Friedensfrauen beim Bundesamt für Strahlenschutz Akteneinsicht in die Transportgenehmigung. Dies wurde ihnen jedoch verwehrt.

Ahaus HammEine "schöne Bescherung" hielt am 24. Dezember 1992 und in den folgenden Monaten die Umweltschützer auf Trapp: Aufgrund einer Störung in der Drainage im Keller des THTR’s flossen 7.000 Liter radioaktiv verseuchtes Wasser aus. Der ab dem 18. März 1993 insgesamt viermal tagende "Runde Tisch", an dem alle Beteiligten einschließlich Bürgerinitiativen gemeinsam die Stillegungsprobleme diskutierten, mußte sich deswegen zusätzlich intensiv mit diesem neuen Störfall beschäftigen. Bei der ganzen Aufregung ging in den Hammer Diskussionen unter, daß eben zu diesem Zeitpunkt die Betreiber des BEZ Ahaus eine Erweiterung der Lagerkapazität von 1.500 Tonnen auf 4.000 anstrebten und daß im Mai 1993 das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage gegen das Zwischenlager in Ahaus abgelehnt hatte.

Nach dem genannten Störfall rückte ein weiteres gravierendes Problem in den Vordergrund: Die NRW-Landesregierung hatte bis zum August 1993 rund 430 Millionen DM der Betreibergesellschaft "Hochtemperatur-Kernkraft GmbH" (HKG) teilweise ohne Beschlüsse des NRW-Parlaments zukommen lassen, um ihren drohenden Konkurs abzuwenden. Außerdem mußte der nordrhein-westfälische Minister Einert zugeben, daß es im THTR technische Komplikationen gab, die noch verbliebenen 500.000 Graphit-Kugeln aus dem Reaktorkem zu entnehmen. Die Transporte nach Ahaus mußten deswegen bis zum Januar 1994 unterbrochen werden. Die Reaktion des Umweltausschusses des Rates der Stadt Hamm zeugt in diesem Zusammenhang von einer unglaublichen Ahnungslosigkeit und Ignoranz: "Daß die Kugeln nun entfernt würden, wurde allgemein als positiv empfunden, denn dann seien sie schließlich weg" (Westfälischer Anzeiger vom 3. 12. 1993).

Während bei Wiederaufnahme der Transporte die Proteste im Münsterland zunahmen - sogar im März 1993 ein Zug in Münster kurz aufgehalten wurde - beendeten in Hamm zu diesem Zeitpunkt THTR-Betreiber und Kläger der Bürgerinitiative gerade ihren 15 Jahre dauernden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Inbetriebnahme (!) des THTR Hamm. Dies war notwendig, um die Prozeßkosten von 140.000 DM für die Kläger der Bürgerlnneninitiative, mit einer letztmaligen zusätzlichen Summe von 50.000 DM im Rahmen zu halten.

Ahaus HammZu einer kleinen "Blockade" eines Castortransportes kam es - man höre und staune - in Hamm doch noch. Ein Mitglied der Bürgerinitiative fuhr mit einem mehrköpfigen Kamerateam des Fernsehens auf Wunsch die Bahnübergänge ab und wartete auf dem Bahnsteig des Stadtteilbahnhofes Bockum-Hövel auf die Ankunft des Zuges. Der Zugführer wurde vorgewarnt und wartete in Erwartung von Blockadeaktionen auf freier Strecke, bis sich dieses offensichtliche Mißverständnis nach einer Viertelstunde aufklärte. Der Zug rollte weiter, das Kamerateam hatte seine Bilder im Kasten.

Die Transporte nach Ahaus gingen weiter bis der Westfälische Anzeiger am 24. Juni 1995 melden konnte, daß die Entladung des Reaktorkerns offiziell abgeschlossen wäre, aber rund 50 Kugeln im Innern des THTR Hamm verbleiben müssen.

Im August 1995 wurden die Riesenschalldämpfer des Reaktors durch einen 800-Tonnen- Kran abgebaut. Die hierbei anfallenden 150 Tonnen Stahlschrott wurden eingeschmolzen. Die Kosten hierfür bezifferte man mit 300.000 DM (Westfälischer Anzeiger vom 5. 8. 1995). Als letztes sichtbares Zeichen baute im Februar 1996 ein großer Kran den 150 Meter hohen Abluftkamin ab.

Ahaus ist keineswegs der einzige Verbringungsort von Atommüll aus dem THTR. Schwachradioaktiver Müll wurde von Hamm auch nach Studsvik (Schweden), Gorleben und Morsleben gebracht bis 1997 der sogenannte "sichere Einschluß" des Reaktors erfolgte. Die nächsten 30 Jahre findet nun der "Erhaltungsbetrieb" statt, wofür das Land NRW die Genehmigung erteilt hat. In dieser Zeit wird der THTR an Werktagen von einem schaltberechtigten Elektriker und einem Schlosser aus dem benachbarten VEW-Kohlekraftwerk "betreut", und von der Bürgerinitiative Hamm, einem halben Dutzend immer noch aktiver Mitglieder, die immer mal wieder kritische Fragen stellen und kleinere Veranstaltungen organisieren.

Die BI Umweltschutz Hamm zu Besuch in Ahaus ...Die kleine Hammer Bürgerinitiative besteht weiter und begleitet kritisch den Stillegungsprozeß des THTR Hamm auch in den nächsten Jahrzehnten. Und sie wird dafür sorgen, daß nicht in Vergessenheit gerät, daß die andere Hälfte des radioaktiven Inventars dieses Reaktors derzeit in Ahaus lagert.

 

 

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