Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 282, Oktober 2003

"Tranvia" wurde eingestellt

Tranvia"Wenn eine Zeitung stirbt, verlieren wir jedesmal auch ein Stück von uns selbst" schrieb einmal der italienische Schriftsteller Ignazio Silone. Die meiner Meinung nach beste landeskundliche politisch-kulturelle Zeitschrift in Deutschland "Tranvia - Revue der Iberischen Halbinsel" wurde leider mit der Ausgabe 69 eingestellt.

 

Die seit 1986 vierteljährlich erscheinende Zeitschrift berichtete in ästhetisch ansprechender Form über Politik, Geschichte, Kunst, Kultur und Umweltschutz in Spanien und Portugal. Vor etlichen Jahren wurden auch alle anderen spanisch- und portugiesisch sprechenden Länder der Welt in die Berichterstattung einbezogen.

 

"Sie ist als Fachpublikation renomiert, gilt als progressiv, vertritt allerdings häufig politisch schillernde Positionen, die ihrem kritischen Verständnis des Parteikommunismus entsprechen" schrieb der Altkommunist und ehemalige Spanienkämpfer Fritz Teppich in "Junge Welt" vom 14. 4. 2001 und wird sich nun leider nicht mehr über diese hervorragend gemachte Zeitschrift ärgern können. Denn die Tranvia brachte nicht nur kritische Artikel zur ETA oder zu den politischen Parteien auf der Iberischen Halbinsel, sondern im Laufe der Zeit mehrere hundert Seiten Analysen und Berichte über den Spanischen Bürgerkrieg und vor allem über die CNT und die POUM.

 

TranviaNeben den zahllosen Streifzügen in die portugisisch-spanische Literatur und Ausflügen in die unterschiedlichen Regionen hat sich diese Zeitung eines Themas angenommen, das auch eine besondere Bedeutung in Deutschland hat: Die Geschichte und die Gegenwart der Juden auf der Iberischen Halbinsel unter besonderer Berücksichtigung ihrer Vertreibung und Verfolgung seit dem Jahre 1492.

 

In der letzten Ausgabe beklagt der Herausgeber Walter Frey, dass die Situation für anspruchsvolle Zeitschriften immer schwieriger wird und eine Fortführung der Zeitschrift in Zukunft einen erheblich intensiveren Aufwand und Einsatz als bisher erforderlich gemacht hätte.

 

In Zukunft werden allerdings auch weiterhin Bücher in der "edition tranvia" erscheinen. Die Einstellung der "Tranvia" bedeutet auch einen großen Verlust für alle am Anarchismus interessierten und wirft die Frage auf, ob ein bißchen mehr Beachtung und Zuspruch in den libertären Medien den Herausgeber nicht doch ermuntert hätte, diese Zeitung weiter herauszugeben. Schade.

 

"Tranvia - Revue der Iberischen Halbinsel" 68 Seiten, 5 Euro; Anschrift: Tranvia, Postfach 15 04 55, 10666 Berlin

 

 Anmerkung

TranviaEinige ältere Ausgaben der "Tranvia" sind vom Verlag noch erhältlich. Und auch ein umfangreiches Buchangebot ist hier einsehbar:

http://www.tranvia.de/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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