Aus: "Schwarzer Faden", Nr. 11, 2/1983

Agraropposition in der BRD

Um existenzfähig zu bleiben, ist der Bauer heute gezwungen, seinen Betrieb laufend zu vergrößern und zu intensivieren. Der Verdienst an seinen Produkten ist so niedrig, daß er nur durch immer größere Mengen ein vernünftiges Einkommen erwirtschaftet und damit seinen Hof erhalten kann.

Je größer die wirtschaftlichen Einheiten werden, desto geringer sind die Produktionskosten, desto höher sind aber auch der Einsatz von Chemie und Technik. Kleinere Betriebe sind nach der Logik der EG-Agrarpolitik unrentabel, bekommen keine finanzielle Förderung mehr und müssen ausscheiden. Von dem Deutschen Bauernverband werden die kleinen Landwirte mit ihren Problemen alleingelassen und Bauern, die sich gegen den Strukturwandel in der Landwirtschaft wehren, werden von ihm obendrein auch noch diffamiert.

LandwirtschaftDie Rolle der "Genossenschaften"

Der Deutsche Bauernverband (DBV) wird weder von den Interessen der kleinen und mittleren Bauern, noch von den Zu- und Nebenerwerbsbauern geleitet. Vielmehr tritt der Verband in seiner Führung eindeutig für die Interssen der Groß- und Wachtums- bauern‚ Industrie und Agrarwirtschaft ein. Ganz besonderen Einfluß haben die "Genossenschaften" auf den DBV. Ursprünglich wurden sie im 19. Jahrhundert von Bauern gegründet, um sich gegen den übermächtig werdenden Handel und der Konzentration des Kapitals in wenigen Händen zur Wehr zu setzen. Doch schon bald brachten die mächtigeren und angeseheneren Bauern die Vorstände in ihre Hand und bestimmten die Geschäftspolitik. Die sah nun so aus, daß das Prinzip "ein Mann - eine Stimme" zugunsten kapitalkräftiger "Genossen" aufgegeben wurde. Anstatt allen Genossen möglichst viele Vorteile zu bieten, strebt das genossenschaftliche Management danach, den Bauern so wenig wie möglich für ihre Produkte zu zahlen und soviel wie möglich von ihnen zu verlangen, wenn sie Waren einkaufen. Praktisch unterscheidet sich die Genossenschaft hierdurch nicht von anderen Unternehmen‚ zieht aber immer noch propagandistischen Nutzen aus der längst von der Wirklichkeit überholten Vorstellung, sie seien die Stütze des kleinen Bauern.

Großbauern

Neben den Vorstandsmitgliedern der Genossenschaften und den Aufsichtsräten der Nahrungsmittelindustrie haben die Großbauern wichtige Funktionen im Deutschen Bauernverband besetzt. Da die Kleinbauern nicht genug Zeit haben‚ um sich mit der Verbandspolitik zu beschäftigen, können sich das nur die Großbauern leisten, weil sie meist über Lohnarbeiter verfügen, die die Arbeit auf dem Bauernhof verrichten. Aufgrund des hierarchischen innerverbandlichen Wahlsystems hat die Basis nur geringe Kontrollmöglichkeiten über die Verbandspolitik. Denn in dem von der amerikanischen Besatzungsmacht ins Leben gerufenen DBV wählen die Vorstände der unteren Verbandsebene immer die Vorstände der nächst Oberen. Auf diese Weise wird jede sich in der Minderheit befindliche Opposition gleich auf Ortsebene abgeblockt.

LandwirtschaftWährend bis 1971 jeder Landesbauernverband im Gesamtverband eine Stimme hatte, wurde danach für jede gezahlten 20.000 DM Jahresbeitrag dem betreffenden Landesverband eine Zusatzstimme zugesprochen und so eine Art Klassenwahlrecht geschaffen: Die Großbauern können mit ihrer Beitragszahlung viele kleinere und mittlere Bauern überstimmen. Wegen der Verfilzung zwischen DBV, Genossenschaft und Industrie richten sich die Forderungen der Verbandsführung nach Erhöhung der Verkaufspreise für landwirtschaftliche Produkte immer nur an die Regierung und die EG. Dabei wird es tunlichst unterlassen, die Preise dort zu erkämpfen, wo die Produkte abgeliefert werden, wo die Ware über den Tisch geht: Dort, wo der Bauer noch mit anderen Markt"partnern" zusammenkommt und noch etwas zu machen Ist, da hält der DBV still.

Bauernverband: Keine innerverbandliche Demokratie

Wie schwierig es ist, im DBV eine oppositionelle Meinung nur sagen zu können, zeigte der Deutsche Bauerntag in Trier 1981. Die Hälfte der Sitzplätze nahmen Funktionäre aus Industrie, Kirche, Parteien und Genossenschaften ein. Weiter hinten saßen die Bauern. Um das Ritual von festgelegten prominenten Redeheiträgen durchbrechen zu können und eine Rede zu halten, mußten oppositionelle schleswig-holsteinische Bauern drohen, mit selbst mitgebrachten Megaphonen die gesamte Veranstaltung undurchführbar zu machen. Neben ihrer kämpferischen Rede erregten auch noch Flugblätter von Bauern aus NRW und Hessen aufsehen, die eine neue Agrarpolitik und eine andere Interssenvertretung im DBV verlangten:

+ Direktwahl des Präsidenten zumindest auf Landes- und Bundesebene.

+ Einführung einer Urabstimmung ähnlichen Regelung.

+ Schluß mit der Ämter- und Interesssenverflechtung der Verantwortlichen im Bauernverband.

LandwirtschaftDas "Landwirtschaftliche Wochenblatt", mit 57.000 Exemplaren das meistgelesene landwirtschaftliche Fachblatt in Westfalen, witterte bei solcherlei Forderungen mit polizeistaatlichem Spürsinn "räterepublikanischen Klang" und gab gegenüber den Störenfrieden die sattsam bekannten Belehrungen über die "repräsentative Demokratie" (9. 7. 1981) zum besten. Kein Wunder auch, daß der seit 1969 amtierende Bauernpräsident Heeremann sich persönlich wegen der Forderung nach Direktwahl des Präsidenten angegriffen fühlte. Ämter hat dieser mit 800 ha Grundbesitz gutbetuchte Bauernpräsident Constantin Bonifatius Hermann Josef Maria Freiherr Heeremann von Zudtwyck mehr als genug und legt hierdurch Zeugnis dafür ab, was in dieser repräsentativen Demokratie alles möglich ist:

- Präsident des Weltbauernverhandes IFAP

- Präsident des Europäischen Bauernvsrbandes COPA

- Präsident das Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes

- Präsident des Kreisverbandes Tecklenburg

- Präsident das Landesjagdverbendes NRW

- Vorsitzender der IMA, Hannover

- Aufsichtsratsvorsitzsender der Land Data‚ Visselhövel

- Vorsitzender das Kuratoriums für den BundesMilchförderungsfonds

- Aufsichtsrat bei der Zentralen Preis- und Marktberichterstattung

- Aufsichtsrat bei der R + V Lebensversicherungsgesellschaft

- Vorstand der westfälischen Reit- und Fahrschule, Münster

- Vorsitzender des Bundesarbeitskreises für Erwachsenenbildung

- Vorsitzender des Generallandschaftsrates der Westfälischen Landschaft

- Verwaltungungsvorsitzender des Absatzförderungsfonds der deutschen Agrarwirtschaft

Landwirtschaft- Aufsichtsrat der westfälischen Central-Genossenschaft

- Verwaltungsrat der Kreditanstalt für den Wiederaufbau

- Verwaltungsrat der deutschen Genossenschaftskasse, Frankfurt

- Aufsichtsrat der Handels- und Privatbank AG, Köln

- Aufsichtsrat bei der landwirtschaftlichen Rentenbank

- Verwaltungsrat der Provinzial-Lebensversicherungsanstalt

- Aufsichtsrat beim Landwirtschaftsverlag Hiltrup

- Verwaltungsrat bei der Deutschen Bundespost

- Aufsichtsrat bei der Bayer AG, Leverkusen

- Aufsichtsrat bei der Klöckner-Humboldt-Deutz AG

- Aufsichtsrat bei der Nordsee, Tochter im Unilever-Konzern

- Amts- und Gemeindevertreter (Angaben aus "Freies Landvolk" Nr. 18)

Zum Überfluß wollte er auch noch Bundestagsabgeordneter der CDU werden und schielte nach dem Posten des Landwirtschaftsministers. Die Satzung des Westfälisch-Lippischen Landesverbandes verbietet allerdings dem Präsidenten ein politisches Amt über die Kreisebene hinaus auszuüben. Da aber der Ministersessel noch nicht sicher war, wollte er die einflußreiche Stellung des Bauernpräsidenten nicht aufgeben. Was also tun? Die Satzung ändern. Das kann nur mit einer 3/4 Mehrheit geschehen und die war - welch Wunder! – gar nicht so sicher. Nicht nur die sowieso recht kritische Landjugend sprach sich dagegen aus, sondern auch manch gestandenem Bauernvertreter auf Ortsebene wurde die Machtgier des Präsidenten langsam unheimlich.

Nun trat das Landwirtschaftliche Wochenblatt wieder auf den Plan. In sechs Leitartikeln sollte den Bauern die Bundestagskandidatur ihres Präsidenten schmackhaft gemacht werden. Sogar die gute‚ alte Kaiserzeit mußte in einem eigens hierfür geschriebenen Artikel als Rechtfertigung herhalten, daß an dem angestrebten Vorgehen nichts anrüchiges sei: "'Bauernkönig' von Schorlemer-Alst war gleichzeitig auch Abgeordneter in Preußen und im Deutschen Reichstag" – und noch etwas anderes fiel dem bestellten Historiker auf: Damals wurde dieser Bauernpräsident auf Lebenszeit gewählt; ach, wie demokratisch sind wir im Gegensatz dazu doch heute!

Am 7. 1. 1883 stimmten die Bauenvertreter mit 157 zu 47 Stimmen der Satzungsäderung zu. 23% stimmten also dagegen. Fast hätte man die erforderlichen‘ 25% erreicht, um Heeremann eine Schlappe beizubringen. Landwirtschaftsminister ist er jedoch nicht geworden, da ist ihm ein Bayer namens Ignaz Kiechle zuvorgekommen...

Flugblatt der Westfälisch-lippischen Landjugend (WLL), 1981Die Landjugend

Bedeutend aufgeschlossener geht es bei der Landjugend zu, die formell politisch selbständig, aber praktisch finanziell vom Bauernverband abhängig ist. Die Leitmotive der westfälisch-lippischen Landjugendtage zeigen deutlich die Entwicklung von einem bloßen Anhängsel des CDU-orientierten DBV zu einer kritischen Jugendorganisation:

1952: Die Landjugend als Bollwerk gegen das Kollektiv

1957: Unser geteiltes Deutschland im weltpolitischen Raum

1964: Ein Deutschland – unsere nationale Aufgabe

1968: Jugend – Kritik und Verantwortung

1977: Stirbt mit der bäuerlichen Landwirtschaft der ländliche Raum?

1980: Bleibt auf dem Lande und wehret euch täglich!

LandwirtschaftDie wichtigste Arbeit in der Landjugend findet auf Ortsebene und in Arbeitskreisen statt. Neben Themen wie Agrarpolitik , Arbeitnehmerfragen ‚ Frauen auf dem Lande‚ werden hauptsächlich Freizeiten, Fußballturniere und Feste organisiert. Vom Strukturwandel der Landwirtschaft blieb die Landjugend nicht unberührt: Während in den 50er Jahren fast alle Mitglieder in der Landwirtschaft arbeiten, sind es bis heute nur noch ca. 30%. Die Stellungnahmen gegen Atomkraftwerke, Umweltverschmutzung und Rechtsradikalismus sowie für eine Agrarpolitik im Interesse der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe finden innerverbandlich nicht immer ungeteilte Zustimmung, im wesentlichen ist es jedoch der Bauernverband, der daran Anstoß nimmt und die Landjugend unter Druck setzt. So auch bei den zwölf agrarpolitischen Grundsätzen der Westf.-Lipp. Landjugend. Heeremann wollte sogar an keiner Veranstaltung teilnehmen, an denen diese Thesen verteilt würden. Zahlreiche Anfragen selbst aus Österreich und der Schweiz, Nachdrucke in verschiedenen Zeitungen und 7000 verteilte Flugblätter ließen die Debatte über die geforderte alternative Agrarpolitik nicht verstummen. Das alles konnte das Landwirtschaftliche Wochenblatt - inzwischen ironischerweise "grüne Prawda" genannt - nicht dazu bewegen, die Thesen abzudrucken. Zahlreiche Leserbriefe, Proteste und Unterschriftensammlungen änderten daran nichts.

Flugblatt der Westfälisch-lippischen Landjugend (WLL), 1980Inzwischen hat der Bund der Deutschen Landjugend (BDL - die überregionale Landjugendvereinigung), seine elf Thesen zur Agrarpolitik fertiggestellt. Sie orientieren sich ziemlich nahe an der Politik des DBV und befürworten zu allem Überfluß auch noch eine expansive Exportpolitik für Agrarprodukte, also Überproduktion auf Kosten der dritten Welt. Kein Wunder, daß diese Thesen sofort im Wochenblatt abgedruckt wurden. Da für viele Leser Landjugend gleich Landjugend ist, war die Verwirrung komplett und wohl auch beabsichtigt.

Die "Bauernblatt" - Gründung

Seit den 50er Jahren wurde die Eigenständigkeit der Bauern durch die Konzentration der vorgelagerten Betriebsmittelindustrien (z. B.Treckerproduktion) und der nachgelagerten Nahrungsmittelindustrien nahezu aufgehoben. Vereinzelt stehen die Bauern den großen Unternehmen auf dem Markt gegenüber und haben kaum noch Einfluß auf den Preis ihrer Produkte. Um diesen Mißstand zu beheben, wurde 1974 im süddeutschen Bondorf der Arbeitskreis Junger Landwirte (AKJL) gegründet. Er trat mit einer aufsehenerregenden Aktion hervor, indem er die Braugerstenanbauer aufforderte, ihre Produkte an den Landhandel und die Genossenschaften nicht unter einem bestimmten Preis zu verkaufen. Das Vorgehen zeigte Erfolg, weil die meisten Bauern sich darin einig waren, daß zur Erhaltung ihrer Existenz ein Mindestpreis erkämpft werden mußte.

BauernblattDa der DBV und die landwirtschaftliche Presse diesen bauerngewerkschaftlichen Bestrebungen ablehnend gegenüberstand, wurde als Diskussionsforum für kritische Bauern das "Bauernblatt" gegründet. In den folgenden Jahren bildeten sich in der BRD weitere Arbeitskreise Junger Landwirte und das "Bauernblatt" wurde allmählich zu dem wichtigsten Instrument der sich langsam formierenden agrarpolitischen Opposition. Es erarbeitete in den ersten Jahren zu den verschiedensten Problemkreisen der Agrarpolitik und zur Situation auf dem Lande Stellungnahmen; z. B.:

+ Es wurde die EG-Marktordnung kritisiert, die Subventionen für "förderungswürdige" große Betriebe und die Zerstörung von kleineren Betrieben vorsieht. Als Ausweg wird die gestaffelte Preiserhöhung für Produkte der kleinen Betriebe propagiert, damit sie leben können, ohne wachsen zu müssen und andererseits eine Preissenkung für die Großen, damit ihnen das Wachsen verleidet wird.

+ Die Machenschaften der Futtermittelindustrie‚ die eine genaue Kennzeichnung bestimmter Futtergemische verhindert, deckte das "Bauernblatt" auf.

+ Der Widerstand gegen Atomkraftwerke, Industriealisierung und Militärmanöver im ländlichen Raum wurde unterstützt.

+ Darstellung der Diskriminierung der Frau in der Landwirtschaft durch bestimmte Gesetze.

Genau zu dem Zeitpunkt‚ als im Februar 1981 aufgrund der Östrogenskandale die Öffentlichkeit sensibel auf die Lage der Landwirtschaft reagierte und sich dem Thema Ökologie zuwandte, erreichte der Fernsehfilm "Drei Bauern unter einem Hut" mit Bauernblattmitarbeitern als Beteiligte eine unerwartet große Resonanz. Die drastische Schilderung der alarmierenden Situation auf den Höfen - entweder wachsen oder aufgeben - bewirkte Betroffenheit unter den Zuschauern, die sich auch in ca. 300 Zuschriften an das "Bauernblatt" äußerte.

Des öfteren wurde von den agrarpolitischen Arbeitskreisen die Gründung einer eigenen Kleinbauernorganisation andiskutiert. In Österreich, Schweiz und Frankreich gibt es sie schon‚ aber angesichts von nur 1000 "Bauernblatt"-Abonnenten im Jahre 1981 wäre die organisatorische Basis recht dünn gewesen und man gab das Vorhaben erstmal auf.

Unsere Zukunft3Der DBV - inzwischen zum Dienstleistungsunternehmen geworden - hat es erfolgreich verstanden, durch Steuerberatung und Hilfe in Rechts- und Sozialgesetzfragen die Bauern an sich zu binden. Organisatorisch kann man gegen ihn nur dann etwas ausrichten, wenn man ansatzweise mit ähnlichen Einrichtungen und Hilfestellungen aufwarten kann. Diese Überlegungen haben u. a. dazu geführt, bei der Arbeitstagung im Februar 1982 neben dem Schwerpunkt "politischer Widerstand" die Selbsthilfe der Bauern zu setzen. - "Der Weg des politischen Widerstandes muß weiter verfolgt werden, aber das reicht nicht mehr aus! D. h. wir müssen neben dem Reden auch die Tat praktizieren. Wir müssen Formen der Selbsthilfe aufbauen, um praktisch zu zeigen, was wir wollen. Wir müssen Beispiele schaffen, in denen unsere Gedanken zur Tat werden und den Hoffnungslosen zeigen‚ das was möglich ist. Wir müssen neben der Kritik der falschen Politik auch Positives schaffen, aus dem wir Mut und Motivation zur Weiterarbeit entnehmen können (...):

+ Neue Formen der Zusammenarbeit beim Verkauf unserer Produkte (Verkaufsgemeinschaften bei Schweinen und Milch)

+ Gemeinschaftliche Formen der Erzeuger-Verbraucher Direktvermarktung

+ gerechte Pachtregelungen

+ Neue Formen der Ortsvereinsarbeit sowie eigene Organisation einer kulturellen Arbeit."

Seitdem hat sich die Zahl der am "Bauernblatt" orientierten agrarpolitischen Arbeitskreise bedeutend vermehrt. Die "Tage der offenen Tür" auf etlichen Bauernhöfen führten zu einem intensiven Kontakt zu den inzwischen weitgehend selbstorganisierten ‘Verbrauchergemeinschaften. In der Öffentlichkeit werden bauerngewerkschaftliche Forderungen verstärkt diskutiert. Das sieht der Bauernverband gar nicht gern und schon wird das Gespenst einer "außerverbandlichen Opposition" (AVO) in enger Anlehnung an die vielgeschmähte APO) von der linientreuen landwirtschftlichen Presse an die Wand gemalt. Die feinen Herren wissen ganz genau, wo sie ansetzen müssen, um die Bauern doch noch bei der Stange zu halten: In einer Zeit, in der die Landwirte in einer Industriegesellschaft eine Minderheit darstellen, habe die Einheit einen hohen Rang, sagen sie. Sie verschweigen dabei. daß gerade ihre Politik bewirkt hat, daß von den ca. 5 Millionen Bauern im Jahre 1945 heute nur noch 0,3 Millionen übriggeblieben sind.

BauernblattUm dem Bauernverband eine umfassende Konzeption entgegenzusetzen und Interessenten das eigene Anliegen im Gesamtzusammenhang darzustellen, begann das Bauernblatt eine monatelange Programmdiskussion. Unglücklicherweise wurden die beiden Entwürfe aus Westfalen und Bondorf oft in Konkurrenz zueinander gesehen, was zu leichten Verstimmungen unter den Beteiligten geführt hat. Öfters bemängelt wurde auch, daß zwar die ökonomischen Hintergründe der Agrarpolitik recht gut herausgearbeitet worden sind, aber die konkreten, tagespolitischen Forderungen zu kurz gekommen sind.

Bio-Landbauverbände

Als Wichtigstes bleibt jedoch festzuhalten, daß endlich einmal grundsätzlich diskutiert wurde‚ worüber früher oberflächlich hinweggegangen worden ist. Neben den ökonomischen Ursachen der Ausbeutung der Bauern in der Vergangenheit ist da vor allem die Haltung zum Bio-Landbau zu nennen. In den agrarpolitischen Arbeitskreisen sind Biohöfe‚ in Umstellung begriffene und "konventionelle" gleichermaßen vertreten. Die Biolandbau-Vereinigungen‚ in denen auch einige Bauernblattvereinsmitglieder sind, setzen als zuständige Fachverbände Anbaurichtlinien fest und kontrollieren diese. In ihnen finden Landwirte Berater und können sich untereinander in betrieblichen Dingen helfen. Alles durchaus positive Dinge. Das "Bauernblatt" gibt aber zu bedenken, daß die Biolandbauvereine zwar eine individuelle Perspektive vermitteln, aber zuwenig auf der agrarpolitischen Ebene aktiv sind, wenn es um das Überleben aller klein- und mittelbäuerlichen Betriebe geht. Denn Tatsache ist: Auch biologisch wirtschaftende Großbetriebe drücken die Kleinen an die Seite. Außerdem sind biologische Produkte nicht in jedem Fall für Haushalte mit geringem Einkommen erschwinglich. Bei "konventionellen" Kleinbauern fallen bestimmte produktionsbedingte Beeinträchtigungen der Lebensmittel sowieso weitgehend fort.

Power to the Bauer!Die Umstellung auf Biolandbau wird zwar von den "Bauernblatt"-Vereinsmitgliedern als erstrebenswert angesehen, allerdings wird eine Idealisierung derselben abgelehnt, um nüchtern die mit ihr verbundenen Probleme diskutieren zu können. Denn schon öfters haben sich Jungbauern von einer alternativen Scene bedrängen lassen, doch endlich umzustellen und sind bei dem übereilten Vorgehen in arge wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die Umstellung vom zweimonatigen Erscheinen auf eine monatliche Herausgabe brachte 1983 neben der Aktualisierung der agrarpolitischen Berichterstattung eine interessante Akzentverschiebung‚ in dem auf die praktischen Probleme der Landwirte intensiver eingegangen wird: Beispielsweise wurde eine Informationsstelle Flurbereinigung eingerichtet, Berichte über Anbauversuche abgedruckt, Getreidemühlen kritisch betrachtet, Informationen über das Lebensmittelrecht erarbeitet, Bauanleitungen für Güllebelüftungsanlagen vorgestellt. Die Steigerung der Auflage auf 5000 Exemplare zeigt, daß die aktuelle und praxisnahe Konzeption der Zeitung beginnt, Früchte zu tragen und Grund genug besteht, hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken.

Nachbemerkung:

Die Zeitung "Bauernblatt" ist inzwischen in "Unabhängige Bauernstimme" umbenannt worden: http://www.bauernstimme.de/unabhaengige-bauernstimme.html

Im Januar 1992 habe ich in dieser Zeitung einen Artikel über Oskar Maria Graf "Der Lackl vom Land" geschrieben und 1994 seine jahreszeitlichen Monatsgedichte aus "Der ewige Kalender" mit einem entsprechenden Vorwort veröffentlicht: 

http://www.machtvonunten.de/literatur-und-politik.html?view=article&id=98:der-ewige-kalender-von-oskar-maria-graf&catid=13:literatur-und-politik

 

 

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