Dieser Leserbrief wurde in der Wochenzeitschrift „Jüdische Allgemeine" nicht abgedruckt (Oktober 2024)

Abbestellung

Hiermit bestelle ich die „Jüdische Allgemeine" zum Jahresende 2024 ab. Lange Zeit war die JA für mich eine interessante Zeitung, um mich über vielfältige jüdische Themen, Antisemitismus, rechtsradikale Umtriebe und über die Situation in Israel zu informieren und aus ihr gegebenenfalls in meinen Artikeln zu zitieren. Und selbstverständlich bin ich der Ansicht, das Israel das Recht hat, sich gegen die furchtbaren Angriffe der islamo-faschistischen Terrororganisation Hamas zu verteidigen.

Jüdische AllgemeineDas Verhalten der rechtsradikalen israelischen Regierung, der kriminellen Siedler und der israelischen SoldatInnen in den besetzten Gebieten bietet allerdings Anlass für deutliche Kritik, die in Ihrem Blatt leider kaum zu finden ist. Einerseits wortreich immer wieder zu Recht auf Antisemitismus aller Spielarten hinzuweisen und gleichzeitig rein gar nichts Kritisches über die Menschenrechtsverbrechen gegenüber den PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten zu berichten empfinde ich als echtes Ärgernis, einseitig und beschämend. Eine solche journalistische Doppelmoral möchte ich nicht mehr durch ein Abonnement unterstützen.

Und noch etwas: Der Faschist Jürgen Elsässer hat noch bis vor gut 20 Jahren in der JA geschrieben, oft auch Leitartikel auf der Titelseite; ich habe sie noch in meinem Archiv. Am 19. 7. 2024 schrieb Elke Wittich in Ihrer Zeitung über den Werdegang Elsässers, ohne seine damalige Autorenschaft in der JA zu erwähnen. Eine selbstkritische Berichterstattung sieht anders aus.

Nachwort

Realistischerweise war der Abdruck meines Leserbriefes nicht zu erwarten. Bisher erschienen in den letzten Jahren in der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine" nur etwa vier mal im Jahr LeserInnenbriefe. Es konnten also viele Wochen oder sogar mehr als zwei Monate vergehen, bis ein Leserbrief abgedruckt wurde. Das ist eine sehr wirksame Methode, durch Abdruckverzögerung eine Diskussion auszubremsen, weil der konkrete Anlass eines Briefes so lange zurückliegt, dass kaum jemand noch darauf reagieren will oder sich an den damaligen Artikel erinnert.

Jalta Heute leben etwa 200.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Allerdings sind davon nur 95.000 in jüdischen Gemeinden organisiert (1). Die "Jüdische Allgemeine" wird vom Zentralrat der Juden herausgegeben und hatte 2020 nach Angaben von Wikipedia eine verkaufte Auflage von 5.047 Exemplaren . Der Zentralrat repräsentiert also weniger als die Hälfte der Jüdinnen und Juden und kann somit nicht für sich beanspruchen, für alle Jüdinnen und Juden zu sprechen. In meinem Artikel "Von Babylon nach Jalta“ habe ich bereits im Jahr 2020 auf andere und kritischere jüdische Stimmen in der Publizistik hingewiesen (2).

Im Gegensatz zur äußerst einseitigen Berichterstattung der „Jüdischen Allgemeinen“ zum Nahostkonflikt und seinen Auswirkungen werden die Statements von Meron Mendel und Saba-Nur Cheema den verschiedenen Seiten viel eher gerecht und zeigen konstruktiv mögliche Lösungen auf. Beispielsweise in dem Aufruf „Der Nahostkonflikt und die Kunst: Wider die Logik des Boykotts“ in „Blätter“, Januar 2025 oder in dem Artikel „Kunstfreiheit und Antisemitismus. Für eine Kultur der Kritik und nicht des Verbots“ (3) in „Blätter“, Februar 2024.

Dass der rechtsradikale Publizist und Herausgeber von „Compakt“, Jürgen Elsässer, als schillernde Figur mit seinen steilen Thesen viele Jahrzehnte lang in nahezu allen (!) größeren linken Zeitschriften hausieren gehen konnte bzw. dort sogar zeitweise führende Positionen einnahm, ist bekannt und wirft ein bezeichnendes Licht auf ihre unreflektierte und aufmerksamkeitsheischende Veröffentlichungspraxis. Kaum bekannt ist hingegen, dass Elsässer über viele Jahre hinweg teilweise auf Seite eins in der „Jüdischen Allgemeinen“ seine Leitartikel platzieren konnte. Im Archiv der JA findet mensch nichts dazu und sie schweigt sich auch sonst über dieses peinliche Kapitel lieber aus.

Anmerkungen

(1) https://www.antisemitismusbeauftragter.de/Webs/BAS/DE/juedisches-leben/juedisches-leben-node.html

(2) http://www.machtvonunten.de/medienkritik.html?view=article&id=61:von-babylon-nach-jalta&catid=17:medienkritik

(3) https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/februar/kunstfreiheit-und-antisemitismus

 

 Jürgen Elsässer in der Jüdischen Allgemeinen:

Jüdische Allgemeine, 19. Juli 2001

 

Jüdische Allgemeine, 10. Mai 2001

 

Jüdische Allgemeine, 25. November 1999 

 

 

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