Aus: "FugE-News" Nr. 2, 2008

Energie(Unver)standort Hamm: Rückfall in die Stein(kohle)zeit!

Mit der Grundsteinlegung für die zwei Kohlekraftwerke ist Hamm erneut in den Blickpunkt der energiepolitischen Diskussion geraten. Die beiden neuen Kohlekraftwerksblöcke der RWE in Uentrop werden nicht nur 8,9 Mio Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen, sondern liegen mit einem Wirkungsgrad von 46 Prozent weit hinter modernen Gas- und Dampfkraftwerken zurück.

Kohlekraftwerkbau in Hamm 2009Diese neuen Großkraftwerke werden etwa 40 Jahre lang in Betrieb sein und behindern dafür den Ausbau der erneuerbaren Energien für diesen Zeitraum in dieser Region höchst effektiv. Klimaschutz wird damit unmöglich gemacht. Das ist von der RWE genau so gewollt, denn dieser Konzern will auf möglichst einfache Weise viel Geld verdienen und nichts mit kleineren und mittleren Betrieben im Alternativsektor teilen.

Diese Haltung hat in Hamm Tradition. Denn in Uentrop steht mit dem Thorium Hochtemperaturreaktor (THTR) ein nukleares Großkraftwerk, dass alle anderen Optionen ausser den klimaschädlichen Kohlekraftwerken seit seinem Baubeginn im Jahre 1971 unmöglich gemacht hat. Allein die Forschung an diesem neuen Reaktortyp verschlang seit 1956 nach Angaben der Atomindustrie 2,39 Milliarden Euro. (...)

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Presseerklärung und Flugblatt zum Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Hamm-Uentrop am Freitag, den 29. August 2008 anlässlich der Grundsteinlegung für die RWE-Kohlekraftwerke und zum Protest dagegen.

RWE-Kohle-Elefant im Klima-Porzellanladen!

Diese zukünftigen Kohlekraftwerke in Hamm-Uentrop sollen dem Klimaschutz dienen! Ein solches Märchen kann die Bundeskanzlerin nur kleinen Kindern erzählen, die für ihre Aktion mit angemalten Papier-Elefanten dabeisein dürfen, wenn Merkel ihren wirklichen Herren von der RWE bei der Grundsteinlegung zu Diensten ist.

Kohlekraftwerkbau in Hamm 2009Die beiden Kohlekraftwerksblöcke C und D werden 8,9 Mio Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Selbst wenn der elektrische Wirkungsgrad tatsächlich 46 % erreichen sollte, werden immer noch fast 40 % der erzeugten Wärme über die Kühltürme ungenutzt an die Atmosphäre abgegeben. An den Wirkungsgrad von 57 % bei modernen GuD-Kraftwerken kommen sie nicht heran.

Die Kohleblöcke D und E bleiben 30 oder 40 Jahre lang in Betrieb. Sie behindern so mittelfristig den Ausbau der erneuerbaren Energien und machen ambitionierten Klimaschutz unmöglich. Und dies ist von den Konzernherren der RWE auch genauso gewollt, denn sie wollen ihre Gewinne nicht mit klein- und mittelständischen Betrieben aus dem Alternativenergiesektor teilen. Sie wollen mit allen Mitteln Konkurrenten aus ihrem einträglichen Energiegeschäft heraushalten und nutzen ihre Monopolstellung schamlos aus.

Die Folge: Als "nur" drittgrößter Stromproduzent Europas stößt RWE mit rund 150 Millionen Tonnen pro Jahr die größte Menge an CO2 –Emissionen aus. Mindestens 15 Prozent der Treibhausgase aus der europäischen Stromerzeugung gehen auf die Rechnung von RWE. Dieser Konzern hat sich damit den zweifelhaften Titel verdient, Europas "Klimakiller Nummer 1" zu sein!

Wenn diese unzeitgemäßen Dreckschleudern wie diejenigen in Hamm-Uentrop gebaut werden, dann scheitert Deutschland mittel- und langfristig mit seinen Klimaschutzzielen.

Den gigantischen Erfolg seiner Jahresbilanzen verdankt RWE vor allem seinen Kunden. Sie bezahlen Jahr für Jahr mit überhöhten Preisen das auf Kohle- und Atomenergie konzentrierte Geschäft des Konzerns.

Die Zukunft beginnt jedoch mit E: Erneuerbare Energien, Energieeinsparung und Energieeffizienz – die drei Säulen für eine klimafreundliche Zukunft. Die Energiewende ist technologisch machbar. Ein energiesparender dezentraler Energiemarkt ohne fossile und nukleare Brennstoffe kann weltweit dazu beitragen, das Problem der Rohstoffabhängigkeit, des Atommülls und des Klimawandels zu lösen.

Kohlekraftwerkbau in Hamm 2009Anmerkung:

An dem Protest gegen die Grundsteinlegung des Kohlekraftwerkes beteiligten sich am 29. 8. 2008 lediglich drei (!) Menschen aus Hamm von der BI Umweltschutz sowie einige angereiste Teilnehmer von Greepeace Hamburg. Dieses Schlaglicht zeigt überdeutlich, mit welcher Intensivität sich die Umweltschützer in Hamm dem Widerstand gegen das geplante Kohlekraftwerk während der letzten Jahre widmeten. Immerhin berichtete der Westfälische Anzeiger über den Protest der drei Personen sehr ausführlich. Bei mehr Engagement wäre auch mehr möglich gewesen. Ein Armutszeugnis sondergleichen!

Inzwischen wissen wir, dass das zwei Milliarden-Projekt sich um 200 Millionen Euro verteuern, den beteiligten Stadtwerken hohe Verluste bescheren und keine volle Auslastung haben wird, da die Alternativenergien inzwischen deutlich aufgeholt haben (Stadtanzeiger Hamm vom 25. 11. 2012). Nach einer Greenpeacestudie sind diese Kohlekraftwerke durch die von ihnen ausgehende Feinstaubbelastung ein so hohes Gesundheitsrisiko, dass sie statistisch für den Tod von 3.100 Menschen bzw. den Verlust von 33.000 Lebensjahren verantwortlich sind (Neues Deutschland vom 4. April 2013).

 

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Aus: "Zwischenstationen" – Hammer AutorInnen aus 15 Jahren Literaturcafé, 2004

Hamm am See

 

Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann

An der Seepromenade 1

59073 Hamm

 

Herrn

Dr. Helmut Kohl

67071 Oggersheim

 

Lieber Parteifreund Dr. Helmut Kohl!

Nach der telefonischen Voranfrage bei Ihrem Büro möchte ich Sie als bekanntesten Urlauber des Wolfgangsees und Anhänger gediegener Erholungsfreude unser westfälisches Kleinod, den Lippesee, wärmstens anempfehlen. Nach nur vierjähriger Bauzeit findet die festliche Einweihung im Rahmen der internationalen Lippewochen am 21. April 2009 statt und ich hoffe, dass Sie wie verabredet als Ehrengast zu uns nach Hamm kommen.

Flugi: BI Aue statt Lippesee; Zeichnung: Siegbert KünzelUm 9 Uhr ist Ihr Festvortrag auf der Aussichtsplattform des Faulturmes fest eingeplant. Anschließend wird das Bockum-Höveler Jagdhornbläserorchester "Die kleine Wassermusik" von Händel aufführen. Gleichzeitig findet das beliebte Wettangeln der Hammer Sportangelverbände am Seeufer statt. Der sicherlich reichhaltige Fang wird dann zur Mittagszeit in dem bekannten internationalen Spezialitätenrestaurant MacDonald lecker zubereitet.

Nach dem Mittagessen werden im Rahmen einer beschaulichen Rundfahrt auf venezianischen Lagunenbooten die angereisten Gäste und Medienvertreter alle wichtigen Sehenswürdigkeiten gezeigt. Als Begleitpersonal konnten inzwischen in Hamm lebende italienische Gastarbeiter gewonnen werden, um originalgetreues mediterranes Flair an unserem schönen Lippesee auszustrahlen.

Anschließend findet in der nahegelegenen Waldbühne die Sondervorstellung des Stückes "Untergang der Titanic" statt, bei der ich selbst als Hauptdarsteller zusammen mit meiner reizenden neuen Partnerin aus dem gleichnamigen weltberühmten Film auftreten werde.

Um das naturwüchsige Umfeld des Lippesees in das rechte Licht zu rücken, findet um 16 Uhr eine Treibjagd im Heessener Wald mit dem auch von Ihnen sehr geschätzten neuen Innenminister Laurenz Meyer statt, der ebenfalls Sohn unserer Stadt ist.

Um Sie für die möglicherweise etwas gewöhnungsbedürftige Eröffnung der "Diskothek am See" zu entschädigen, empfehle ich Ihnen, sich zum Abschluss der anstrengenden Veranstaltungen im Hammer Kurhaus mit unseren weltberühmten thoriumhaltigen Schlammpackungen zu entspannen.

Zum Ausklang des Tages findet in der nahegelengenen Kurparkresidenz ein Kaminstammtisch zusammen mit altgedienten Parteimitgliedern und Förderern des Lippesees statt.

Wir freuen uns besonders, für diesen Abend den Verleger des hiesigen Westfälischen Anzeigers, Dirk Ippen, als Gedichtrezitator gewonnen zu haben. Nach seiner vielbeachteten Anthologie "Des Sommers letzte Rosen" wird er uns jetzt aus seinem neuen Werk "Der See als spirituelle Kraftquelle" vorlesen.

Ich kann Ihnen versichern, dass es während der Feierlichkeiten zu keinerlei Unruhen und Turbulenzen mehr kommen kann, da Bundespräsidentin Gesine Schwan auch für die letzten drei inhaftierten Lippeseegegner eine Generalamestie ausgesprochen hat, sodass es zu den lästigen Aufläufen vor der Hammer Justizvollzugsanstalt nicht mehr kommen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Hunsteger-Petermann,

Öffentlichkeitsarbeit: Horst Blume

 

Flugi: BI Aue statt LippeseeNachbemerkung:

Mit einer irrsinnig aufwendigen Propaganda- und Materialschlacht sollte der Hammer Bevölkerung ein künstlicher Lippesee in der Lippeauenlandschaft schmackhaft gemacht werden. Nutznießer wären Bauunternehmer und allerlei Spekulanten geworden. Am 18. Juni 2006 machten allerdings 56,9 Prozent der Bevölkerung einen Strich durch die Rechnung der Herrschenden und lehnten beim durchgeführten Volksentscheid den Bau des Lippesees ab. In dem Artikel "Hammer können jetzt sogar rechnen" habe ich mich im THTR-Rundbrief Nr. 108 (2006) etwas ausführlicher mit diesem Thema befasst:

http://www.reaktorpleite.de/nr.-108-august-06.html

Diesen fiktiven Brief habe ich zur Belustigung ebenfalls auf einer der zahlreichen Protestveranstaltungen vorgetragen.

 

 

Und hier ist ein Leserbrief von mir in "Westfälischer Anzeiger“ (WA) aus dem Jahr 2004 einzusehen und ein aktuelles Nachwort aus dem Jahr 2014:

http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=297:lippesee-unhaltbare-visionen&catid=21:lokales-aus-hammhttp://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=297:lippesee-unhaltbare-visionen&catid=21:lokales-aus-hamm

 

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Aus: Graswurzelrevolution, Nr. 254, Dezember 2000

CDU: Leithammel Laurenz

Der neue CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und der GWR-Autor Horst Blume begannen ihre ersten politischen Gehversuche Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre im gleichen Stadtteil Hamm-Uentrop, dem Standort eines Atomkraftwerkes. Der Eine als Mitglied der Jungen Union, der Andere als Jungsozialist. 15 Jahre später trafen sie als recht gegensätzlich eingestellte Ratsmitglieder der Stadt Hamm aufeinander.

Laurenz Meyer; Zeichnung: Siegbert KünzelSeine politischen Konkurrenten attackierte Laurenz Meyer schon in frühen Jahren mit besonderer Penetranz. Die NPD, die 1969 mit bundesweit 4,4 % der Wahlstimmen die entscheidenden Prozentpunkte für ein Weiterregieren der CDU wegnahm, war in dieser Zeit Objekt des jungen Eiferers. "Als Oberschüler, gegen Ende der 60er Jahre, gebärdete sich Meyer als Störenfried auf einer NPD-Versammlung mit Alfred von Thadden. Dessen Rede unterbrach der damalige Twen immer wieder durch laute Zwischenfragen, so lange, bis von Thadden diesen unbequemen Geist von seinen braunen Saalordnern an die Luft befördern ließ." Diese Geschichte, 1993 in "Landtag intern" zum Besten gegeben, mußte Anfang der 90er Jahre nach einer Welle nationalistischer Anschläge auf das Leben von Ausländern dazu herhalten, Meyer als politischen Saubermann jenseits aller als extremistisch verschrieener Ideologien zu präsentieren.

Schnell machte Meyer als stellvertretender Kreisvorsitzender der Jungen Union Hamm und als JU-Landesvorstandsmitglied in der CDU Karriere und wurde 1975 in den Stadtrat von Hamm gewählt, in dem er bis 1995 sein Mandat innehatte. Die früheren Dissonanzen im Umgang mit der NPD können schon in seinen jüngeren Jahren nicht darüber hinwegtäuschen, daß er - zutiefst betrübt durch Deutschlands "Teilung" - ein Kind des Kalten Krieges auch dann noch blieb, als die Blockkonfrontation allmählich einer "friedlichen Koexistenz" wich. Als jugendlicher Widersacher der vielen Jusos und Nach-68er-Linken wurde er innerhalb der langsam verkalkenden CDU dringend gebraucht. Sein Engagement gegen die Gesamtschule, "unsinnige Verkehrspolitik" und vor allem gegen "ideologisch begründete Projekte" nahmen immer öfter Züge eines Kulturkampfes an. Frech und rhetorisch geschickt nutzte er in der Kommunalpolitik die Schwächen des politischen Gegners gnadenlos aus.

Atomkraft-Lobbyist

Doch populistische Lokalpolitiker gibt es genug und sind nichts besonderes. Was zu seinem Aufstieg entscheidend mit beigetragen hat, ist seine enge Verbindung mit einem bedeutenden Exponenten wirtschaftlicher Macht. Als Volks- und Betriebswirtschaftler ging Meyer beruflich zu einem der größten Stromproduzenten Deutschlands, zu den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW).

Hier wurde er Hauptabteilungsleiter in der Hauptverwaltung Dortmund. Mit dem Insiderwissen eines großen Energiekonzerns versehen, mischte er sich intensiv in die Energie- und Wirtschaftspolitik ein. Die VEW waren nicht nur die Betreiber von Kohlekraftwerken, sondern auch von dem Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop, der zeitgleich mit der Katastrophe in Tschernobyl einen beachtlichen Störfall vorzuweisen hatte. 1989 wurde er stillgelegt sein radioaktiver Abfall später nach Ahaus gebracht. Klar, daß Meyer als parlamentarischer Arm der Atomindustrie im Rat der Stadt Hamm und ab 1990 auch im NRW-Landtag auftrat. Und das tat er äußerst geschickt.

SPD-Dompteur

In einer Situation, in der die Subventionen für die Steinkohle einerseits und der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in den 80er Jahren andererseits zur Disposition standen, erwies sich Meyer als kleine "Wunderwaffe" der Atomindustrie. Die SPD stand nur äußerst halbherzig zu ihren Ausstiegsbeschlüssen aus der Atomkraft und mußte vor allen Dingen auf die Bergleute und ihre sogenannte Gewerkschaft "IGBE" Rücksicht nehmen. Diese hatte sich seit Jahrzehnten auf Gedeih und Verderb den großen Energiekonzernen ausgeliefert, um durch Wohlverhalten möglichst viele Bergbauarbeitsplätze zu retten. Deswegen war die IGBE jahrelang eine der Hauptstützen der "Kohle und Kernenergie" - Ideologie und verfügte über sehr großen Einfluß in der NRW-SPD.

Diese Plakatkombination hat was ...Gleichwohl wurden die Bergleute zu einer Geisel in der Hand des Energiekonzerns VEW, dessen Interessenvertreter Laurenz Meyer war. Die Hammer Lokalzeitung „Westfälischer Anzeiger“ schrieb hierzu 1987 zutreffend: "... der CDU-Politiker hatte rhetorisch geschickt und über weite Strecken genüßlich die SPD in die Klemme manövriert. (...) Der Christdemokrat unterstützte vehement die Gewerkschaft - und damit auch ihr Ja zum Uentroper Meiler."

Meyer, in dem sich die (bundes)politische und ökonomische Macht in einer Person bündelte, drohte ganz offen: Entweder ihr Sozialdemokraten sorgt für einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken oder aber die Energieversorger werden noch mehr Zechen schließen als geplant. Was war widerlicher: Die Frechheit Meyers, dies unumwunden auszusprechen oder die kriecherische Unterwürfigkeit der SPD-Parlamentarier, dem keinerlei Widerstand entgegenzusetzen? Ich weiss es nicht.

Es gab in den 80er Jahren nur einige wenige Situationen, in denen Meyer sich in der Öffentlichkeit merklich zurückhielt. Immer dann, wenn ein- oder zweihundert friedliche Demonstranten die Ratssitzungen besuchten und für die Stilllegung von Atomkraftwerken demonstrierten, zog er es vor, keine direkte Angriffsfläche zu bieten und schwieg ausnahmsweise. Ansonsten kannte er trotz seiner offensichtlichen Befangenheit als Konzernlobbylist keinerlei Scheu sich zu Themen zu äußern, die in direktem Zusammenhang mit seinem Hauptberuf standen. Die SPD-Parlamentarier wurden von ihm genüßlich zu Bittstellern für Kohlesubventionen degradiert und zuckten merklich zusammen, wenn seine Stimme einen drohenden Unterton anschlug.

THTR-Rundbrief Nr. 48Auch zehn Jahre nach Tschernobyl verkündete Meyer während der Landtagsdebatte: "Verzicht auf Kernenergie würde Sicherheitsverlust bedeuten" und drohte ganz offen, daß bei einer von SPD und Grünen vorgeschlagenen Energiesteuer "wichtige Bestandteile der nordrheinwestfälischen Industrie nach einer solchen Steuerkonzeption ihre Standorte ins Ausland verlagern würden."

Der Energiekonzern, für den Meyer arbeitet, hat mit dem THTR über sechs Milliarden DM in den Sand gesetzt und jahrzehntelang wird die Bevölkerung noch den Stilllegungsbetrieb bezahlen müssen. Dies ist für Meyer allerdings kein Grund, den Mund nicht so voll zu nehmen. Nein, er stellt die Wirklichkeit geschickt auf den Kopf und prangert vehement die angeblichen „Dauersubventionen“ für die Windkraft an! Für Menschen, die sich mit der komplizierten Materie nicht intensiver auseinandergesetzt haben, klingen ein paar dubiose aneinandergereihte Zahlen und seine einfachen, frechen Behauptungen offensichtlich einleuchtend.

Wille zur Macht

Als Meyer Anfang 1999 Helmut Linssen als Vorsitzenden der NRW-CDU-Fraktion im Landtag ablöst, verkündet er unverblümt, sein Ziel für die Landtagswahl:"Wir wollen wieder an die Macht." Nicht nur angeblich verpulverte Millionen für ein Ökozentrum bestimmen nun seine Debattenbeiträge. Jetzt versucht er sich wieder stärker als Law- and Order-Propagandist zu betätigen und fordert mehr Polizei „besonders für Fußgängerzonen oder vor Bahnhöfen, wo oft ein schwunghafter Drogenhandel läuft. Kein ehrlicher Bürger muß sich bedroht fühlen, wenn ein Einkaufzentrum, wenn eine Fußgängerzone oder ein Bahnhofsvorplatz per Video überwacht wird."

Aus: "Westfälischer Anzeiger" vom 25. 10. 2000Sicherlich hatte Meyer in den vergangenen Jahren als wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion allmählich einen höheren Bekanntheitsgrad in NRW erreicht. Seinen weiteren Aufstieg in NRW und letztendlich bundesweit verdankte er zum Teil dem Skandal um das Oberhausener Trickfilmstudio HDO im Jahre 1998. Als ganz gewiß nicht neutral agierender Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses forschte er nach dem Verbleib von 100 Millionen DM staatlicher Gelder, die die Sozis in ihrer Nachlässigkeit verplempert hatten.

Als Glücksfall für Meyer erwies sich die Verwicklung von ehemaligen SED/PDS-Größen in diesen „Finanz-Skandal mit dunkelrotem Hintergrund“, wie er es so gerne nannte. Ausgerechnet der rechten Clemens-SPD eine stille Kumpanei mit der PDS zu unterstellen ist zwar ziemlich absurd, aber es erwies sich als äußerst medienwirksam und einleuchtend für etwas einfältige Gemüter. Die Art und Weise, wie er diesen Skandal für die CDU ausschlachtete, empfahl ihn nachhaltig für höhere Aufgaben.

Doch mitten im Vorwahlkampf in NRW fiel Meyer in seiner Funktion als NRW-Schatzmeister durch intensive Kontakte zur skandalträchtigen Westdeutschen Landesbank auf. Diese überwies nach Meyers Anforderung ("Sie denken an ihre Spende...?") einen "fünfstelligen Betrag" und "Die Woche" verkündete spitz: "Für den CDU-Mann, der die Annehmlichkeiten der Landesbank für die Sozis so gerne geißelt, eine pure Selbstverständlichkeit: ‘Ich hab mir gedacht, die tun was für die SPD, dann können die auch was für uns tun’." - Wer sich zu solchen Äußerungen hinreißen läßt, ist leicht angreifbar und könnte durch das unbekümmerte und schnoddrige Hinausposaunen fragwürdiger Praktiken leicht ins Stolpern geraten.

Populismus pur

Aus: "Neues Deutschland" vom 21. 12. 2004Am 21. 1. 2000 gab Meyer der rechtsgerichteten "Jungen Freiheit" ein Interview und biederte sich damit kurz vor den Landtagswahlen unverholen rechten Stimmungsmachern an. Er spricht sich für eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungsverfahren nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht aus und fordert zusätzlich Deutschprüfungen. "Jemand, der Deutscher werden will, sollte auch Deutsch können. Da wäre ich eher auf der bayrischen Linie, ja."

Während Meyer bei Ausländern gleich nach dem Verfassungsschutz ruft, berücksichtigt er den Verfassungsschutzbericht der NRW-Landesregierung bei der Auswahl seiner eigenen Multiplikatoren nicht. Hier wurde der „Jungen Freiheit“ auf insgesamt acht Seiten Fremdenfeindlichkeit, Solidarisierung mit rechtsextremen Straftätern und Parteinahme für Volksverhetzung vorgeworfen. Wenn jedoch nicht nur der SPD-Staatsminister Christoph Zöpel, sondern auch die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, zwischenzeitlich dieser Zeitschrift lange Interviews geben, dann kann auch ein Laurenz Meyer sicher sein, daß ihm hieraus kein politischer Schaden entsteht. - Doch zunächst wurde, dem CDU-Spendenskandal sei Dank, der CDU-Sieg bei den NRW-Landtagswahlen im Mai 2000 vergeigt und eine mittlere Depression machte sich auch bei einem notorischen Wadenbeißer wie Meyer breit.

"Die Stolzdeutschen""Stolz, ein Deutscher zu sein"

Daß die CDU aufgrund ihrer Spendenskandale nicht so ohne Weiteres in der Lage sein würde, die parlamentarische Hegemonie zurückzuerobern, muß Laurenz Meyer noch kurz vor der Landtagswahl geahnt haben, als er der TAZ ein Interview gab. Ohne von dieser Zeitung kritisch hinterfragt zu werden, brachte er "Volksabstimmungen" als „Elemente direkter Demokratie“ in die Debatte ein. Die dahinterstehende Absicht ist ziemlich offensichtlich. Meyer will ganz eigennützig die Kampagnenfähigkeit der CDU erhöhen und "Volksabstimmungen" als Instrument und Zwischenschritt zur Wiedererlangung der politischen Macht nutzen. Seine aktuelle Idee, die CDU-Mitglieder über Internet zu befragen, ist in einem ähnlichen Licht zu sehen. Seine Äußerung im "Focus", "... wir dürfen uns nicht zu fein sein, uns um die Stammtische zu kümmern", zeigt so eindeutig, in welche Richtung sich der neue Generalsekretär bewegen will, daß sogar innerhalb der CDU Befürchtungen laut werden, Meyers Fähigkeiten für die CDU umsichtig und strategisch klug zu denken, wären etwas beschränkt.

Doch der Mann, der so gerne zum "Säbel" greift und zur "Attacke" gegen das "rotgrüne Chaos" bläst, kommt der FAZ gerade recht und wird gebührend als neuer Hoffnungsträger und in ganz und gar kriegerischer Manier als „Speerspitze“ auf der Titelseite gefeiert. "Die Welt" bezeichnet Meyer etwas schlichter als "Mann fürs Grobe" und hebt seine "fröhliche Brutalität"(!) hervor.

Und die "Junge Freiheit", die in ihrer Ausgabe Nr. 45 den altbekannten Antisemitismus wiederaufleben läßt, indem sie die Briefe an deutsche Unternehmen mit der Bitte um Zwangsarbeiter-Beiträge als "Schnorrerbriefe" bezeichnet, genau diese Zeitschrift zitiert in der gleichen Ausgabe jubelnd Meyers Bekenntnis "Ja, ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" in der Überschrift! Von soviel Ermutigung aus der CDU-Spitze für eine alte NPD-Parole haben die Rechten in diesem Land bisher nur träumen können.

Aus: "Neues Deutschland" vom 22. 12. 2004Ob der von der CDU in die gesellschaftliche Diskussion eingebrachte Begriff einer "deutschen Leitkultur" nun wortwörtlich Eingang in die CDU-Positionspapiere findet oder ein klein wenig umschrieben wird, ist letztendlich nicht so wichtig. Entscheidend ist, daß hier mit Hilfe nationalistischer Demagogie eine Partei versucht, zurück an die Fleischtöpfe der Macht zu gelangen. Selbst wenn Leithammel Meyer auf dem glatten Berliner Parkett irgendwann einmal ausrutschen sollte, so wurden durch die neuesten strategischen Schachzüge der CDU wieder einmal rechte Stammtischparolen breiten Bevölkerungskreisen als völlig legitime Meinungsäußerung nahegebracht. Und es wird Menschen geben, die dem Gesagten Taten folgen lassen.

Nachbemerkung:

Inzwischen wissen wir, keine vier Jahre nach Veröffentlichung dieses Artikels ist Laurenz Meyer 2004 auf dem politischen Parkett ausgerutscht und musste als Generalsekretär der CDU zurücktreten. Bei der Bundestagswahl im Jahr 2005 erhielt er in seinem Heimatwahlkreis Hamm blamable 32,8 %. - Die vielen politischen Stationen Meyers von Anfang bis Ende und darüber hinaus sind in insgesamt 21 größeren oder kleineren durchnummerierten Artikeln als eigenständige Serie im THTR-Rundbrief auf der Homepage www.reaktorpleite.de nachzulesen. Der (vorläufig) letzte Artikel befindet sich im THTR-RB Nr. 130:

http://www.reaktorpleite.de/nr-130-maerz-10.html

und hier der vorletzte Artikel in "THTR-RB" Nr. 126 (immer ganz unten):

http://www.reaktorpleite.de/nr.-126-april-09.html

Siehe auch meinen Leserbrief in "Westfälischer Anzeiger" (WA): Rechter Scharfmacher Laurenz Meyer

http://www.machtvonunten.de/leserbriefe.html?view=article&id=365:rechter-scharfmacher-laurenz-meyer&catid=24:leserbriefe

 

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"Grünes Info", Monatszeitung des NRW-Landesverbandes der Grünen Nr. 5-6, 1986

Die Giftmüll-Mafia

Zeichnung von Fritz Brümmer 1986Zum größten Skandal der Hammer Nachkriegsgeschichte mit weitreichenden Auswirkungen auf die Landespolitik entwickelten sich die Bemühungen von Politikern, Privatwirtschaft und dem umstrittenen Mülldezernenten Masannek, eine Giftmüll- und Müllverbrennungsanlage nach Hamm zu bekommen.

Während die Hausmüllverbrennungsanlage in dem Stadtteil Bockum-Hövel schon in Betrieb ging und eine bis zu 50%ige Erhöhung der Müllgebühren und starke Umweltbelastungen nach sich zog, wurde hinter den Kulissen von dem Hammer SPD-Fraktionsvorsitzenden Morawietz, dem Umweltminister Matthiesen und dem inzwischen verhafteten Mülldezernenten "Dr. Dr." Masannek fleißig daran gearbeitet, neben dem Thorium-Hochtemperaturreaktor im Stadtteil Uentrop eine Giftmüllverbrennungsanlage möglich zu machen. Die Öffentlichkeit wurde mit vagen Andeutungen abgespeist, daß ja noch gar nichts entschieden sei und vorerst nur Informationen eingeholt würden.

Spätestens als Matthiesen am 18. Februar 1986 auf Einladung der SPD-Fraktion in Zusammenarbeit mit der Verwaltung eine Pressekonferenz im Rathaus abhalten wollte, wurde vielen Hammer Bürgern klar, daß die Vorbereitungen zum Bau einer Giftmüllverbrennungsanlage ein schon sehr weitgehendes Stadium erreicht haben müssen. Einhundert Bürger demonstrierten spontan. Es kam zu Blockaden, Rempeleien und Polizeieinsatz im Rathaus. Die geplante Show wurde gründlich vermasselt. Inzwischen hatten sich sieben Bürgerinitiativen in Hamm und in der ländlichen Gegend Lippetal und Welver gebildet, die durch zahlreiche Veranstaltungen mit bis zu 200 Teilnehmern ihren Protest deutlich machten. Der Rat der Gemeinde Welver stimmte einstimmig gegen die geplante Anlage und der dortige SPD-Bürgermeister trat als Redner auf Versammlungen der Bürgerinitiativen auf. Die Hammer Ratssitzung am 12. März sollte nach Ansicht der SPD trotz dieser Proteste die Voraussetzungen der Gift-MVA schaffen. Da die ebenfalls zuständige Bezirksvertretung Uentrop zu diesem Thema noch nicht gehört worden ist, mußte die SPD unter dem Druck von CDU, GAL und vor allem der aufgebrachten Bevölkerung die Beschlußfassung noch einmal vertagen.

Was bisher geschehen ist, hätte letztendlich den eisernen Willen der Hammer SPD-Führung und der hinter ihr stehenden braven Parteisoldaten, die Gift-MVA doch noch zu beschließen, wahrscheinlich nicht brechen können, wenn nicht ein beherzter Redakteur (Heinz-Jürgen Ziller - HJZ) des Westfälischen Anzeigers (WA) am 5. April enthüllte, daß Masannek sich seine beiden Doktortitel widerrechtlich angeeignet hat. Die nun aufgenommenen Ermittlungen brachten eine Lawine ins Rollen, die die politische Landschaft in Hamm innerhalb weniger Wochen grundlegend verändert hat. Nachdem der falsche Dr. Dr. Masannek als Dezernent beurlaubt und wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verhaftet worden ist, kam zu Tage, daß er ein ungeheueres Vermögen zusammengestohlen hat.

Dr. Dr. Masannek als ElefantendompteurWeiterhin erhärtete sich der Verdacht, daß die deutsche Babcock in Oberhausen als Marktführer für Müllverbrennungsanlagen Schmiergelder in Millionenhöhe aufgewendet hat, um den Widerstand von führenden Politikern gegen den Bau ihrer Anlagen auszuräumen. Am 11. April nahm die Kriminalpolizei den ehemaligen langjährigen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Rat und stellvertretenden Bürgermeister von Bockum-Hövel, Robert Rehling, fest, weil er fünfstellige Summen vom MVA-Betreiber erhalten und weitergeleitet hat. Am 14. April wurde durch den WA bekannt, daß eine ganze Serie von gefälschten Unterschriften unter die MVA-Verträge gesetzt wurden: "Wie der Aufsichtsratsvorsitzende der MVA, der SPD-Landtagsabgeordnete Manfred Hemmer, dieser Zeitung auf Anfrage bestätigte, existieren zwei Verträge, durch die die MVA von der Betreibergesellschaft GEKO auf eine Betriebsanlagengesellschaft für Abfallgesellschaft (BAB) übertragen und nach einiger Zeit wieder auf die GEKO zurücktransferiert wurde. Beide Schriftzüge tragen zwar die echte Unterschrift des inzwischen inhaftierten Wirtschaftsförderers und falschen Doppeldoktors Dr. Masannek; die zweite Unterschrift, die des Hammer Oberstadtdirektors Dr. Walter Fiehe aber ist eindeutig gefälscht."

Einen Tag später gestand das stellvertretende Vorstandsmitglied der Babcock, daß der Fälscher Masannek einen Beratervertrag mit bis zu 8000 Mark monatlich und insgesamt ca. 1 Mio. DM erhalten hätte. Dieses stellvertretende Vorstandsmitglied hat intensiv mit der Hammer SPD-Fraktion zusammengearbeitet. Und mit am Tisch saß der Ministerialdirigent aus dem Düsseldorfer Umweltministerium, Dietrich Ruchay. Ruchay ist zugleich Präsident des Landesamtes für Wasser- und Abfallwirtschaft in Düsseldorf und stützt vermutlich nachhaltig das Giftmüllentsorgungsvorhaben seines Dienstherrn, des Landesministers Matthiesen. Wie weit im übrigen die Aktivitäten des Ministers, in Nordrhein-Westfalen verstärkt auf ein Netz von Gift-Müllverbrennungsanlagen zu setzen, entscheidend vom falschen Doppeldoktor Dr. Masannek und dessen politischen Mentor, Adalbert Morawietz, im Zusammenspiel mit der Babcock-Chefetage beeinflußt worden ist, werden möglicherweise noch die Ermittlungen - sozusagen als Abfallprodukt - ans Tageslicht bringen." (WA 15. April 1986).

Aber nicht nur die Staatsanwaltschaft war in diesen Tagen reichlich beschäftigt, auch die Bürgerinitiativen wurden recht munter. Am 15. April fand eine hervorragend gelungene Großveranstaltung mit 800 Teilnehmern statt, auf der auch Vertreter anderer betroffener Bürgerinitiativen aus Herten, Essen und Bielefeld von ihren Erfahrungen berichtet haben. Die Politiker wurden von der lebendigen und zugleich außerordentlich konstruktiven Versammlung aufgefordert,unverzüglich auf den Bau der Gift-MVA zu verzichten.

BanküberfallAm nächsten Tag folgten dann weitere Enthüllungen. CDU und SPD erhielten beträchtliche Summen von der GEKO (Betreibergesellschaft der MVA in Bockum-Hövel), die zum Teil für den Kommunalwahlkampf genutzt worden sind. Einer der Empfänger war der CDU-Fraktionsvorsitzende und MVA-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Gräf.

Zur Bezirksvertretungssitzung im Stadtteil Uentrop am 17. April wurde die Verwaltungsvorlage zum Bau der Gift-MVA zurückgezogen. Da mit dem Zurückziehen und anschließendem nur geringfügig verändertem Wiederaufwärmen von Vorlagen einschlägige Erfahrungen gemacht worden sind, hat die GAL-Uentrop bereits eine Woche vorher fristgemäß einen Antrag gegen den Bau der Gift-MVA eingereicht. Zusammen mit einem ähnlichen CDU-lnitiativantrag wurde er mit einer Stimme Mehrheit (CDU und GAL) gegen 4 SPD-Stimmen und 5 SPD-Enthaltungen mehrheitlich verabschiedet.

Die sich als links verstehende Uentroper SPD hatte mal wieder einen schlechten Tag erwischt und verübelte dem Uentroper GAL-Vertreter außerdem auch noch die letzte Ausgabe der Stadtteilzeitung "Der Grüne Hammer", in der es bereits vor der Aufdeckung des ganzen Skandals hieß: "Es geht ihnen jetzt nur noch darum, ob und wie die SPD bei einer Befürwortung der Giftschleuder im Rat den damit verbundenen Prestigeverlust verkraften kann oder ob sie es sich unter dem Druck der Öffentlichen Meinung noch einmal anders überlegen soll. Was von der SPD-Spitze in der nächsten Woche kommen wird, ist keine Sachdiskussion mehr oder eine an den Grundsätzen der politischen Moral orientierte Handlungsweise, sondern eine miese opportunistische Show." (Nr. 4)

Am 17. April werden erneut Verträge mit von Masannek gefälschten Unterschriften bekannt: "Möglicherweise verheerende Folgen stehen ins Haus, wenn sich herausstellen sollte, daß Masannek gegenüber der Hessischen Landesbank (Helaba), die einen 140 Mio. Kredit für den Bau der MVA in Bockum-Hövel gewährt hat, verpflichtende Erklärung abgegeben haben sollte. Und alles spricht dafür: ln der Verwaltung landen Briefe aus Frankfurt, in denen der Eindruck erweckt wird. die Stadt sei Vertragspartner. So wurde die Verwaltung gestern aufgefordert, einer Erhöhung des Kreditverfügungsrahmens zuzustimmen. Wie Oberstadtdirektor Dr. Fiehe aber versicherte, habe es weder mit Babcock noch mit der Hessischen Landesbank, entsprechende Verträge gegeben." Die.Stadt sei weder Darlehnsnehmer der Helaba noch Bürge oder sonst in irgendeiner Form Garant für die für die dreistellige Millionensumme." (WA 17.4. 1986)

Masannek stolpertEinen Tag später gibt Masannek zu, von der Babcock 1,7 Mio. DM erhalten zu haben. In diesem Zusammenhang wurden auch Wohnung und Büro des ehemaligen SPD-Ortsvereinvorsitzenden Luhofer durchsucht. Die Lage wird so undurchschaubar, daß sogar einige beteiligte Politiker nicht mehr durchblicken. So will sich das Aufsichtsratsmitglied der MVA-Betreiberqesellschaft GEKO Böckmann vom Kreis Unna (der billig seinen Hausmüll nach Hamm loswird) aus der Gesellschaft zurückziehen, weil ihm einiges "dubios" erscheint und er nicht einmal weiß, in welchem rechtlichen Gebilde er einmal gesessen hat. Und der SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des "Aufsichts"rates der MVA-Betreibergesellschaft GEKO bekannte auf der Ratssitzung am 23.4., daß "das Chaos gesellschaftlicher Verflechtungen ...ihm erst seit wenigen Stunden" (WA 24.4.) bekannt sei.

Die Ratssitzung geriet auch aus einem anderen Grund zu einem denkwürdigen Ereignis. Rechtfertigungsversuche und gegenseitige Schuldzuweisungen bei der SPD und Stadtverwaltung ließen erkennen, daß diese sauberen Herrschaften nicht im Traum daran denken, die Vergangenheit lückenlos aufzuarbeiten und entsprechende Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Insbesondere der peinliche Versuch von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Morawietz, mit einem einschläfernden Herunterleiern alter Protokolle auf andere etwas kleinere Skandale im Zusammenhang mit Masannek abzulenken, rief Empörung bei den Bürgern hervor.

Kein Wunder auch, daß die Empfehlung der Bezirksvertretung Uentrop, die Gift-MVA grundsätzlich abzulehnen, bei der SPD auf wenig Gegenliebe stieß. Stattdessen bediente sie sich mit einem eigenen Antrag dreist bei der Resolution der 800 besorgten Bürger, in der ein Gesamtkonzept für NRW, neutrale Gutachten und zweifelsfreie Nachweise der Ungefährlichkeit gefordert wurden -  allerdings der entscheidende Absatz "keine Gift-MVA nach Hamm" von der SPD bewußt ausgelassen wurde.

Das sozialdemokratische Kunststück, mit einer Resolution der Bürgerinitiativen dem Anliegen der Bürgerinitiativen eine Abfuhr zu erteilen, zeigt einmal mehr, wie geschickt diese Partei es versteht, bestimmte Beschlüsse nicht zum Zuge kommen zu lassen.

Sonderlich glücklich scheinen die Genossen mit ihren parlamentarischen Entscheidungen und dem Verhalten ihres Fraktionsvorsitzenden Morawietz allerdings nicht zu werden. In den Ortsvereinen gärt es. Der Ruf nach personellen Konsequenzen wird immer lauter. Indem der stellvertretende SPD Fraktionsvorsitzende Stamm aus Protest gegen Morawietz sein Amt niederlegte, ist der Falsche gegangen. Er hatte mit den kriminellen Verwicklungen nichts zu tun. Es ist nicht auszuschließen, daß in naher Zukunft ein oder zwei Spitzenpolitiker ihren Hut nehmen werden und das Ganze dann als gut funktionierender Selbstreinugungsprozess verkauft wird.

Die drei AffenFolgendes bleibt festzuhalten:

1. Der Mülldezernent Masannek ist seit vielen Jahren von SPD, CDU und Oberstadtdirektor trotz offensichtlicher Verfehlungen gedeckt und sogar noch im letzten Jahr von ihnen in den Aufsichtsrat der MVA gewählt worden.

2. Die Gift-MVA wird zwar nicht von der Babcock gebaut werden, sie ist jedoch nicht vom Tisch.

3. Das Land hat kein umweltfreundliches Gesamtkonzept für Giftmüllentsorgung. Umweltminister Matthiesen macht keinerlei Anstalten, umweltgerechte Konzepte, wie sie etwa in dem Entgiftungsprogramm der Grünen gefordert werden, zu verwirklichen. Stattdessen versuchte er auf dem Wege des geringsten Widerstandes und in Zusammenarbeit mit skrupellosen Wirtschaftsverbrechern, Standorte in NRW für lebensgefährliche Giftmüllverbrennungsanlagen zu finden.

Aktueller Nachtrag:

"Der grüne Hammer", Nr. 4, 19866. Mai: Die von den Hammer Sozialdemokraten als Modellanlage hochgelobte und gerne vorgezeigte Gift-MVA Biebesheim (Hessen) wurde durch eine Explosion im Schlammbunker stillgelegt. Die Anlage ist auf Jahre nicht mehr betriebsfähig - es entstanden Millionenschäden. Etwas peinlicheres konnte kaum passieren.

17. Mai: "Eine der Firmen, die seit Jahren tonnenschwere Armaturen für UdSSR-Atomkraftwerke liefert, ist die Babcock AG in Oberhausen. In Tschernobyl sollen Produkte seiner Firma aber nicht eingesetzt worden sein, teilt der Pressereferent von Babcock, Herr Stork, der TAZ mit: 'Genau wissen wir das auch nicht...'"(TAZ v. 17.5.86) Es gibt ebenfalls Hinweise, daß Babcock auch den THTR Hamm beliefert hat. Es gibt sicherlich noch viele Gründe, sich die Firma Babcock einmal genauer anzusehen (z.B. Südafrika-Geschäfte).

23. Mai: Der SPD-Fraktionschef Morawietz kontert Vorwürfe eines Jusos in der Lokalpresse, er habe "durch Wort und Tat verhängnisvolle Müllpolitik unterstützt", mit juristischen Mitteln. Morawietz verlangte bezeichnenderweise eine "Unterwerfungserklärung von dem Juso. Der Ausgang dieses für die Hammer SPD typischen Vorgangs ist noch offen.

25. Mai: "Die Hammer SPD lehnt Hamm als Standort für eine Sondermüllverbrennungsanlage ab" heißt es, aber die Unterstützung für "10 notwendige Verbrennungsanlagen dieser Art bis 1990" in NRW wird nochmals bekräftigt.

Die ehemals geplante Gift-MVA steht aufgrund der Ereignisse in Tschernobyl und im THTR Hamm nicht mehr im Vordergrund des öffentlichen Interesses. Kontakte zwischen den spontan entstandenen Giftmüll-Bürgerinitiativen und den seit mehr als 10 Jahren existierenden AKW-Inis entstehen verstärkt angesichts der Bedrohung durch Radioaktivität. Ebenfalls wäre eine NRW-weite Vernetzung der Anti-Giftmüll-Bl's der nächste wichtige Schritt zur Verhinderung der geplanten Giftmüllverbrennungsanlagen.

Anmerkung:

Zeichnung: Fritz Bümmer. Der bärtige Mensch, der "Auf uns hört ja keiner" ruft, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Horst Blume ...Haben Sie schon mal versucht, im Internet einen Artikel über die kriminellen Machenschaften des falschen Doppeldoktors Winfried Masannek und den Giftmüllskandal in Hamm zu finden? – Haben Sie nur Diesen hier und Den von der alten Tante "Die Zeit" entdeckt und sonst nichts?? Sind Sie jetzt etwa erstaunt, sich über den größten Hammer Skandal der Nachkriegsgeschichte so schlecht im Netz informieren zu können? Gehören Sie zu den 2.000 SucherInnen, die im Hamm-Wiki mit lächerlichen zehn dürren Zeilen zur Biographie des falschen Dr. Dr. und zum Müllskandal abgespeist wurden, während dort beispielsweise über den Bockum Höveler Schützenverein Nordenfeldmark 1925 die zehnfache Menge an Text vorzufinden ist??

Der Fall MasannekOffensichtlich wollen alle Seiten das für Hamm so peinliche und bezeichnende Geschehen unter den Teppich kehren. Zu allem Überfluss wurde Masanneks Gefängnisstrafe zum größen Teil erlassen und er wurde nach weniger als zwei Jahren im März 1988 wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch das ist typisch.

Glücklicherweise hat dieser Skandal 1986 einen wunderbaren Chronisten zur Höchstform auffahren lassen: Den leider schon 1995 verstorbenen Zeichner Fritz Brümmer. Sechs seiner Karikaturen sind in diesem Artikel einzusehen.

Im Jahr 1989 hat immerhin Henning Voss im Fachbereich Politikwissenschaft an der Universität Münster die 132seitige Arbeit mit dem Titel "Der Fall Masannek. Chronik eines politischen Skandals" veröffentlicht. Sie wurde in kleiner Auflage von den Hammer Grünen als Buch herausgegeben und erschien in "Graphischer Verlag Irma Brümmer-Gebhard".

 

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