Aus: "FugE-News", Nr. 2, 2003

Widerstand am Kap - Schweigen in Deutschland?

Hamm soll kritische THTR-Infos Südafrika zugänglich machen

THTR-Rundbrief Nr. 98Nachdem mit Duldung und Unterstützung von Rotgrün im Bund und in NRW das Forschungszentrum Jülich (FZJ) seit den 90er Jahren an der Weiterentwicklung des Thorium-Hochtemperaturreaktors (THTR) gearbeitet hat, soll diese Atomkraftvariante in Südafrika eine neue Blüte erleben.

Mit dem Bau des Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) - so wird der THTR jetzt genannt - soll nach dem Willen der Atomindustrie und der südafrikanischen Regierung im 1. Quartal 2005 begonnen werden, und zwar 28 km nördlich von Kapstadt in Koeberg. Hier, am Atlantik, stehen zwei Druckwasserreaktoren mit je 922 MW Leistung. 1982 hatte der ANC kurz vor der Beladung mit radioaktiven Brennstäben durch Sabotageakte die Inbetriebnahme verzögert. Er wollte verhindern, dass das weiße Rassistenregime mit dem entstehenden Plutonium seine militärische und wirtschaftliche Macht ausbauen konnte.

Heute befürwortet er als Regierungspartei den Bau der neuen Reaktorlinie. Die Einspruchsfrist zur Genehmigung der Umweltvertraglichkeitsprüfung für den PBMR lief am 25. Juli ab. Proteste und öffentlicher Druck bewirkten, dass der Umweltminister sie bis zum 25. August verlängerte. In dieser Zeit hat die Handelskammer von Kapstadt, die bisher den Bau des PBMR nahe der Dreimillionenstadt befürwortete, eine Neubewertung der Wirtschaftlichkeit vorgenommen. Es waren nämlich riesige Erdgasfelder an der Westküste Südafrikas entdeckt worden. Das hatte die Diskussion um Alternativen zur Atomkraft belebt.

Eine Studie von Forest Oil stellte fest, dass ein Gaskraftwerk an der Westküste wirtschaftlicher sei und weitreichende Konsequenzen für die ökonomische Entwicklung haben würde. Zufallig war in dieser Zeit ein Frachter mit 50 Tonnen mittelangereicherrem Uran vor Kapstadt auf Grund gelaufen.

In den letzten Tagen vor Verstreichen der Frist erhob nun auch die Stadtverwaltung Kapstadt Einspruch, ein wichtiger Teilerfolg für die Umweltschützer! Die Heinrich-Böll-Stiftung in Südafrika hatte noch rechtzeitig Teile des Internetauftrittes „Reaktorpleite.de“ der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm ins Englische übersetzt, sodass südafrikanische Umweltschützer wichtige Informationen zum THTR erhielten.

THTR-Rundbrief Nr. 84In Deutschland versuchen die Verantwortlichen für Atom-Know how-Export das Problem totzuschweigen. Umweltminister Trittin antwortet seit sechs Monaten nicht auf unsere Eingabe und ignoriert ebenso kritische Fragen des grünen Kreisverbandes Münster. Forschungsministerin Bulmahn schrieb uns, dass das Forschungszentrum Jülich in Zukunft noch eine Expertise zu einigen Sicherheitsaspekten des PBMR’s erstellen soll, und antwortet seit vier Monaten nicht auf konkrete Nachfragen. Außenminister Fischer, der im Jahre 2000 Südafrika besuchte und unter dessen Oberhoheit die nuklearen Kooperationen vereinbart worden sind, schweigt ebenfalls.

Allmählich wird sich die Hammer Bürgerinitiative überlegen, wie sie mit diesem Verhalten umgehen soll. Zunächst hat die BI einen Bürgerantrag vorbereitet, den möglichst viele Organisationen und Personen aus Hamm bis zum 15. Oktober 2003 unterstützen können. Bitte senden Sie Ihre Unterstützungserklärung an die Bürgerinitiative Umweltschutz.

Zur Zeit wird geprüft, welche Gutachten, Schriften und Bücher übersetzt werden müssen, damit die südafrikanischen Umweltschützer für inhaltliche und juristische Auseinandersetzungen gerüstet sind. Die Stadt Hamm könnte dabei helfen.

Eingabe an den Beschwerdeausschuss der Stadt Hamm:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit beantragen die unterzeichnenden Organisationen, dass zwischen der Stadt Hamm und der Stadt Kapstadt in Südafrika ein Erfahrungsausstausch zum Thema "Gefahren von Hochtemperaturreaktoren" hergestellt wird. Desweiteren soll hierdurch die solidarische Anteilnahme der Hammer Bürgerschaft an dem Widerstand der Region Kapstadt gegen den geplanten Bau eines Hochtemperaturreaktors 28 Kilometer nördlich von Kapstadt in Koeberg bekundet werden.

THTR-Rundbrief Nr. 85Begründung:

Die Stadt Hamm hat seit dem Jahre 1972 umfangreiche Erfahrungen mit dem THTR gemacht. Nicht nur die sich um ein Jahrzehnt verzögerte Inbetriebnahme und die explodierenden Kosten auf insgesamt über sechs Milliarden DM, sondern auch die zahllosenPannen und Störfälle in diesem Reaktor zeigen deutlich, dass vor dem weiteren Ausbau dieser Technologie weltweit gewarnt werden muss. Insbesondere der große Störfall in Hamm-Uentrop, bei dem zeitgleich mit der Katastrophe in Tschernobyl zusätzlich Radioaktivität abgegeben wurde, hat die Hammer Bürger zutiefst beunruhigt und Tausende bewogen, vor den Toren des THTR’s in Hamm-Uentrop gewaltfrei zu demonstrieren.

Obwohl der THTR 1989 endgültig stillgelegt wurde, hat das Forschungszentrum Jülich (FZJ) in den 90er Jahren bis heute an dieser Technologie weitergeforscht und in Zusammenarbeit mit der Atomindustrie und mit dem staatlichen südafrikanischen Energieversorgungsunternehmen ESKOM den Bau des Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) - einer Variante des THTR’s - vorbereitet.

Gegen den geplanten Bau des PBMR haben bis zum 25. August 2003 nicht nur viele Umweltschützer, sondern auch die Stadt Kapstadt Einsprüche eingelegt. Neu entdeckte Erdgasvorkommen in dieser Region haben die Handelskammer von Kapstadt dazu bewogen, ihre Option für Atomkraft zu überdenken. Trotzdem plant die südafrikanische Regierung weiterhin, den Baubeginn im 1. Quartal 2005 zu genehmigen und den Export dieses Reaktors hauptsächlich in 3. Welt-Länder zu forcieren.

In dieser Situation ist es wichtig, dass die Menschen in Südafrika erfahren, welche Gefahren von dem THTR ausgehen und welche Erfahrungen mit dieser Technologie in Deutschland gemacht wurden, damit ihnen in Zukunft Probleme und Störfälle wie in Hamm erspart bleiben.

Anmerkung

Wie es mit der Bearbeitung dieser Eingabe weiterging, ist im THTR-Rundbrief Nr. 89 nachzulesen:

http://www.reaktorpleite.de/nr-89-maerz-04.html

 

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Aus: "Der grüne Hammer" (Neue Folge, Hg. GAL Uentrop), Nr. 3, 1985

Der Pleite-Reaktor: THTR

"Der grüne Hammer", Nr. 3, 1985Die SPD boxt umstrittenen Katastrophenschutzplan durch

Wer geglaubt hat, mit der Durchführung der Ratssondersitzung zum Katastrophenschutzplan für den THTR wäre alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Hammer Bürger getan worden, der wurde durch die Fernsehsendung "Aktuelle Stunde" eines Besseren belehrt:

"Noch im Bau: das Fernüberwachungssystem. Schnell und unabhängig von den Betreibern des Atomkraftwerks soll es die kontinuierliche Überwachung von Meßdaten durch die Aufsichtsbehörde, das Wirtschaftsministerium ermöglichen. Erfaßt werden sollen Art und Menge von radioaktiven Stoffe, die den THTR über den Abluftkamin oder das Abwasser verlassen. (...)

Veröffentlicht werden die Werte aber erst bei einem besonders bedrohlichen Störfall. Das Wirtschaftsministerium informiert dann das Innenministerium. Das dann wiederum die unmittelbar zuständige Katastrophenschutzbehörde‚ die Stadt Hamm‚ informiert. Ein langer Weg, bis man unmittelbar neben dem Reaktor weiß, was drinnen vorgeht. Nach der anstehenden Leistungsbetriebsgenehmigung wird das Kraftwerk bis zur Vollast ausgefahren. Mit allen Risiken, die auch im Normalbetrieb auftreten. Doch die Fernüberwachung - dieses wichtige Kontrollinstrument der Aufsichtsbehörde - ist noch nicht annähernd fertiggestellt. Mit der Fertigstellung der risikomindernden Fernüberwachung ist frühestens Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Die Katastrophe kann bis dahin allerdings schon stattgefunden haben" (10. 7. 1985).

Die Ratssondersitzung brachte es an den Tag: Weder die rechtzeitige Alarmierung der Bevölkerung noch eine wirksame medizinische Versorgung kann im Katastrophenfall gewährleistet werden. Anfragen von Hammer Bürgern wurden‚ sofern überhaupt zugelassen, mit einer unglaublichen Arroganz abgekanzelt:

Beruferaten"Sie können also 1. keine Jodtabletten bekommen, weil sie keine benötigen. Sie wohnen nicht innerhalb des Kreises und es kann für sie theoretisch nichts eintreten. Und die zweite Frage ist so zu beantworten, daß eine Evakuierung für sie nicht in Frage kommt, und die dritte Frage ist so zu beantworten, daß sie sich um ihre Tiere keine Sorgen zu machen brauchen" (Aus der Niederschrift S.40).

Doch damit nicht genug. Dreiviertel aller 395 Bürgerfragen wurden durch einen Verfahrenstrick von OB Zech (SPD) gar nicht erst zugelassen. Anträge der GAL wurden von SPD und CDU gemeinsam abgeschmettert. Die SPD beantragte ein neutrales Gutachten wegen der Reduzierung der 10 km Zone auf 5 km. Nachdem der Katastrophenschutzplan sich als chaotisches Sammelsurium unzulänglicher Einzelmaßnahmen entpuppte und gleichzeitig der THTR in Betrieb geht, begnügt sich die SPD mit einer folgenlosen und völlig unverbindlichen Geste. Sie will damit die Zweifler in den eigenen Reihen beruhigen und von ihrer bewußten Untätigkeit und Befürwortung der Inbetriebnahme des THTR ablenken.

Der THTR ist mindestens genauso gefährlich wie der Schnelle Brüter in Kalkar, bei dem die SPD zur Zeit öffentlichwirksam ihre "Zweifel" in Szene setzt. Auch hierbei werden von der SPD keine bindende Verpflichtungen eingegangen, diese Atomanlage wirklich stillzulegen. Auf grüne Wähler und Stimmen der Umweltschützer ist die SPD scharf und um sie sich einzuverleiben sind ein paar Unverbindliche Spekulationen gerade gut genug - glaubt sie!

Der THTR ist das atomare Hätschelkind der SPD schon immer gewesen und deswegen wird über haarsträubende Sicherheitsmängel großzügig hinweggesehen. Da es auf der THTR-Baustelle drunter und drüber geht und die technische Konzeption des Reaktors unausgereift ist, mußte die lnbetriebnahme von 1977 bis heute immer wieder hinausgeschoben werden. Zur Zeit kommen die Betreiber mit den Abschaltstäben des Sicherheitssystems (!) nicht klar, weil sich der Kugelhaufen verdichtet hat und die Abschaltstäbe klemmen oder gar verbogen sind.

Dieses Versagen ist ein wesentlicher Punkt der neuesten Klage der Bürgerinitiative Umweltschutz gegen die Inbetriebnahme. Die bisherigen zahlreichen Klagen gegen den Reaktor werden von der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg seit Jahren verschleppt. Der Vorsitzende des Gerichts ist der Vizebürgermeister der Stadt Soest und Ortsvereinsvorsitzender der SPD, Hans Grabis. - Zufall??

Anmerkung:

Diese dritte Ausgabe von "Der grüne Hammer" erschien in einer Auflage von 8.000 Exemplaren und wurde damit fast flächendeckend an alle Haushalte des Bezirks Uentrop verteilt. Ich war deswegen mehrere Wochen jeden Tag mehrere Stunden im Einsatz. - Das waren noch Zeiten ...

 

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Aus: "Atom Express", Nr. 2, 1981

Klage gegen den Pleitereaktor

Rechtsschutzaktie zur Abwehr des THTR

Zwei Hammer Bürger haben in den vergangenen Monaten, unterstützt durch die Bl Umweltschutz Hamm, beim Verwaltungsgericht Arnsberg eine Klage gegen den THTR-Hamm eingereicht, um den Bau dieses AKW´s auf gerichtlichem Weg zu stoppen.

RechtsschutzsaktieDer mit kugelförmigen Brennelementen gefüllte, heliumgekühlte Hochtemperaturreaktor wurde in den 60er Jahren als Alternative zu den Leicht- und Druckwasserreaktoren geplant. Doch 1970 gaben die Franzosen dieses Projekt auf, 1973 die Engländer und 1975 die Amerikaner. Zur Zeit ist lediglich in Jülich ein HTR-Versuchsreaktor mit 15 MW in Betrieb. Der THTR-Hamm wäre also mit 300 MW die erste Demonstrationsanlage.

Das Genehmigungsverfahren mit Anhörung der Bevölkerung fand 1970/71 statt, als der Widerstand gegen die Atomenergie noch nicht weit verbreitet war. Seit 1971 wird an dem THTR gebaut und die Inbetriebnahme war für 1977 geplant. Doch durch technische Schwierigkeiten und zusätzliche Sicherheitsauflagen wurde die Fertigstellung immer wieder verzögert. Heute wird die angestrebte Inbetriebnahme von den Vereinigten Elektrizitätswerken (VEW) mit 1983 angegeben. Die Baukosten sind von geplanten 710 Mio. DM bis heute auf 2,5 Mrd. DM gestiegen, wobei 90% der Kosten durch Steuergelder gedeckt werden.

Die zwei Kläger versuchen das Gericht zu überzeugen, daß in den zehn Jahren Bauzeit soviele Änderungen an dem ursprünglich genehmigten Reaktor vorgenommen worden sind, daß ein neues Genehmigungsverfahren notwendig ist. So ist das Meß- und Regelsystem verändert worden, das Notkühlsystem ist umdimensioniert und der zunächst der Planung zugrundeliegende Sicherheitsbericht ist von Grund auf und in einer Vielzahl von Einzelheiten durch sog. "Planungsgrundsätze" ersetzt worden.

Der Grüne Hammer Nr.13Aus diesen Gründen fordern die Kläger einen sofortigen Baustop für den THTR-Hamm. Allerdings ist es so, daß es sich praktisch keine Privatperson leisten kann, gegen ein solches Großprojekt gerichtlich vorzugehen. Ein vergleichbares wirtschaftliches Risiko ist auf der Betreiberseite, die als Kapitalgesellschaften in ihrer Haftung beschränkt sind, nicht zu finden.

Die Rechtsschutzaktie

Wir müssen damit rechnen, daß der Prozeß einige zenhntausend DM kosten wird. Wichtig ist nun für uns Umweltschützer, die beiden Kläger finanziell zu unterstützen und das finanzielle Risiko auf möglichst viele Menschen zu verteilen. Aus diesem Grunde haben wir eine Rechtsschutz-Aktie eingerichtet. Sie ist auf gutem Papier mit einem alten Stadtbild von Hamm gedruckt. Jede einzelne Aktie hat eine laufende Nummer und ist mit einem Preis von 5, 10, 20, 50 oder 100 DM ausgewiesen. Wir hoffen, daß auch Sie regen Gebrauch von der Rechtsschutz-Aktie machen. Durch die Überweisung eines entsprechenden Betrages erhaltet lhr die Rechtsschutz-Aktie automatisch zugeschickt.

Natürlich werden sich die Bl´s nicht nur auf juristischem Wege gegen den THTR-Hamm wehren, sondern gewaltfreie, direkte Aktionen sind ebenfalls ein Teil ihres Widerstandes. Ein erster Schritt war eine Demonstration von 1.500 Bürgern in Hamm am 31. Mai 1980. Auch in der überregionalen Presse ist diese Aktion beachtet worden und hat vielen Umweltschützern Auftrieb gegeben.

Trotzdem kann dieser Erfolg nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Kampf gegen den THTR-Hamm auch im Bewußtsein vieler Umweltschützer ein Schattendasein geführt hat. Selbst BI´s, die im näheren Bereich von Hamm arbeiten, beschäftigen sich oft viel intensiver mit weiter wegliegenden Standorten wie Gorleben oder Brokdorf, als mit dem THTR. Es ist sicherlich unsere Aufgabe, durch verstärkte Aktivitäten neue Kreise für ein Engagement gegen den THTR und für das Leben zu gewinnen.

Anmerkung

Dieser Artikel wurde ebenfalls im "Umweltmagazin" des BBU (Nr. 1, 1981) und im "Paderborner Stattblatt" Nr. 12 (1980) abgedruckt.

 

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Aus: "FugE-News" N. 1, 2005

Widerstand gegen den THTR in Hamm und alte und Neue Soziale Bewegungen (Interview mit Horst Blume)

Horst, 19 Jahre ist es her, dass am 26. April 1986 der Tschernobyl-Reaktorblock explodierte. Was bedeutet dieser Jahrestag am 26. 4. für dich?

Oft wird vergessen, dass zeitgleich bei dem Störfall im THTR ebenfalls Radioaktivität entwichen ist und wir in Hamm bei diesem neuen Reaktortyp zu Versuchskaninchen der Atomindustrie gemacht wurden. Allerdings haben sich damals tausende von Menschen gewehrt, indem sie mehrmals die Zufahrtswege zum Reaktor blockierten und einige sogar den Kühlturm und das VEW-Verwaltungsgebäude besetzten. Zusammen mit technischen und finanziellen Problemen der Betreiber war es unser Widerstand, der zum Erfolg der Stillegung führte.

Demonstration gegen den THTR 1983Du gehörst zu den Veteranen der Anti-Atomkraft-Bewegung in Hamm. Für die BI Umweltschutz verschickst du voraussichtlich im Juni 2005 den hundertsten THTR-Rundbrief. Was gibt dir den langen Atem, immer noch so engagiert dabei zu sein?

Es macht mir einfach Spaß, mit möglichst wenig Aufwand der herrschenden Politik möglichst viel Widerstand entgegenzusetzen.

1989 wurde der Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) Hamm-Uentrop stillgelegt. Aber die HTR-Forschung und Entwicklung erlebt eine neue Blüte. Findet auch in Deutschland der Wiedereinstieg in die Atomkraft statt?

Es hat auch unter rotgrünen Regierungen in NRW und im Bund keine Unterbrechung der Forschung an der HTR-Linie gegeben. Von daher kann nicht von Wiedereinstieg‚ sondern muss von einer bemerkenswerten Kontinuität gesprochen werden.

Seit 1998 wurden in NRW im Forschungszentrum Jülich über 30 umfangreiche Forschungsarbeiten und Experimente für die Weiterentwicklung des HTR´s durchgeführt, die allesamt auf hunderten von Seiten dokumentiert worden sind. Es wurden hier neue Patente angemeldet, nach Südafrika und China verkauft und das gesamte know how mit viel Engagement weitergegeben. Die Landes- und Bundesregierung nennt dies Export deutscher Sicherheitsstandards ins Ausland und begrüßt diese Aktivitäten ausdrücklich!

Titelseite Du greifst auch gerne selbst zur Feder und mischst dich interessiert in lokale und überregionale Debatten ein. Welcher gemeinsame Nenner bestimmt dein Engagement?

Ich setze mich für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft ein und arbeite zur Erreichung dieses Ziels in verschiedenen Bürgerinitiativen mit. Oft schreibe ich in der Zeitschrift "Graswurzelrevolution", um meine Erfahrungen zu verarbeiten.

Was war das Erlebnis, dass dich am stärksten in deinem Engagement motiviert hat - was hat dich am meisten frustriert?

Am meisten motiviert haben mich die persönlichen Berichte von Aktivisten der sozialen Revolution in Spanien aus der Zeit von 1936 bis 1939. Hier wurden vom einfachen Volk nach der Abwendung eines faschistischen Putschversuches die bisherigen staatlichen Machthaber abgesetzt, die Unternehmer enteignet und trotz widriger Umstände ein nichtautoritärer Selbstverwaltungs-Sozialismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen praktisch verwirklicht.

Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung, so ergeben sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder neue Möglichkeiten, in bestimmten Situationen an wichtigen emanzipatorischen Bewegungen teilzunehmen. Natürlich gehören zu unseren unbestreitbaren Erfolgen auch Niederlagen. Aus beidem können wir lernen.

Was ist deine Vision für die nächsten 10 Jahre?

Es wird aufgrund der Fortsetzung der neoliberalen Politik der jetzigen Regierungen zu großen sozialen Konflikten und möglicherweise sogar zu lokalen Aufständen kommen (**). Hochtemperatur-Reaktoren sollen als wichtiger Baustein der Renaissance der Atomkraft unter einer CDU-Regierung auch in Deutschland wieder gebaut werden. Da sind die Hammer Erfahrungen mit dem Schrottreaktkor unglaublich wichtig.

Darüber hinaus werden viele Menschen hoffentlich bald erkennen, dass es falsch war, all ihre Hoffnungen und Wünsche in die Hände von Parteien zu legen, anstatt selbst von unten auf aktiv zu werden und direkte Aktionen und Kampagnen durchzuführen. Die Herrschenden in diesem Land sehen nur ihre eigenen Interessen und werden durch gute Worte allein ganz gewiss nicht ihre Politik grundlegend ändern.

Anmerkung

** Aber sicher nicht in der Bundesrepublik Deutschland, würde ich zehn Jahre später sagen. Mit anderen Worten: In Zukunft will ich doch lieber mit gewagten Prognosen etwas vorsichtiger sein ...

 

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Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 328, April 2008

Tschernobyl-Jahrestag: Kundgebung vor THTR in Hamm!

Tschernobyljahrestag2008, Foto: Willi Hesters"Alles Lüge" rief die ältere Dame erregt vor laufender Kamera aus: "Das ist die Quittung für den Störfall". Und der Dorfapotheker analysierte: "Die Krebsrate ist schon erstaunlich. Das ist ein Zeichen für sich." Ganze 22 Jahre nach dem Störfall in dem Thorium Hochtemperaturreaktor (THTR) macht sich pötzlich und unerwartet der Ärger der Anwohner in einem Film des Westdeutschen Rundfunks Luft.

Anlass ist die vom Bundesamt für Strahlenschutz vorgelegte Kinderleukämie-Studie. Alle Atomkraftwerke sind hierin untersucht worden, der THTR allerdings nicht. Offizielle Begründung: Er war ja nur ein Forschungsreaktor mit kurzer Laufzeit.

Keine Rede von der beispiellosen Serie von Pannen und Störfällen. Keine Rede davon, dass dieser Pleitereaktor deswegen während seiner fünfjährigen "Betriebsdauer" nur 423 Tage unter Volllast laufen konnte. Keine Reden von den Vertuschungsversuchen der Betreiber.

 

Tschernobyljahrestag 2008, Foto: Willi HestersDas alles haben insbesondere diejenigen Menschen, die in der Hauptwindrichtung leben, nicht vergessen und sich bei jedem Krebsfall in der Familie oder in der Nachbarschaft ihre ganz eigenen Gedanken gemacht. Da rumort es. Das alles ganz ohne "Hilfe" einer Bürgerinitiative, denn die gab es im konservativen Lippetal nicht. Auf die Nichtberücksichtigung dieses Reaktors in der Studie folgte die intensivste Medienberichterstattung in dieser Region, wie wir sie seit 1988 nicht mehr erleben durften. Besorgte Menschen meldeten sich gleich dutzendweise bei der BI in Hamm. Der Rat von Lippetal und der Stadt Hamm forderten inzwischen ebenfalls die Einbeziehung der Region in die Studie. Doch das Bundesumweltministerium als Auftraggeber der alten Studie reagierte bisher nicht.

Da in dem Pannenreaktor ebensolche radioaktiven PAC-Kleinstkügelchen freigesetzt worden sind, wie in der Elbmarsch mit der höchsten Kinderleukämierate der Welt, ist die Lage äußerst brisant und die ganze Angelegenheit wird von den Behörden am allerliebsten unter den Teppich gekehrt.

Aus einem zweiten Grund ist der THTR Tabu: Er ist der Prototyp für die Generation IV-Reaktoren, in die in den nächsten zwei Jahrzehnten weltweit der größte Anteil an nuklearen Forschungsgeldern gesteckt werden soll. Überdurchschittlich viele Krebstote an dem Prototyp der Reaktorlinie der Zukunft machen sich natürlich nicht so gut. Wer die Renaissance der Atomenergie in den nächsten Jahrzehnten effektiv verhindern will, sollte in langfristigen Dimensionen denken und heute schon danach handeln!

Deswegen findet am Samstag, dem 26. April (Tschernobyljahrestag!) um 15 Uhr eine Kundgebung vor dem THTR in Hamm-Uentrop statt. Treffpunkt vor dem Tor. Wie früher.

Anmerkung:

An der Kundgebung haben über einhundert Menschen teilgenommen. Ein Artikel aus dem Soester Anzeiger ist hier einsehbar:

http://www.reaktorpleite.de/zeitungsausschnitte.html?showall=&start=13

 

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